Der lange Marsch durch die Fettnäpfe
Die Tür im Eisernen Vorhang knallt, Niels Bormann kommt auf die Gorki-Bühne und sagt zur Begrüßung: «Entschuldigung». Haha, er ist wieder da: Vor zehn Jahren erfand sich der 45-jährige Schauspieler in der ersten israelisch-deutschen Koproduktion der Theatermacherin Yael Ronen als ultradeutscher, beflissen-klemmiger Wiedergutmachungsstreber, der zwar unter seinem Nachnamen leidet, aber noch in der kriecherischsten Demutsgeste unangenehm dominant auftritt.
Seither marschiert Bormann immer wieder bei Bedarf in Bühnenfettnäpfe, zuletzt in Yael Ronens «Winterreise», wo er eine Gruppe Geflüchteter quer durch Deutschland lotste. «Ich möchte mich ganz kurz vorab entschuldigen, dass hier heute ein Stück mit Israelis, Palästinensern und Deutschen stattfindet, das wir schon vor zehn Jahren gemacht haben.»
Tatsächlich war Yael Ronens auf die Screwball-Komik leibhaftiger Stereotypen gebautes Workshoptheater «Dritte Generation», 2009 koproduziert vom Habima Theater Tel Aviv und der Schaubühne am Lehniner Platz, eine der größten Erfolgsgeschichten im deutschen Theater der letzten Zeit. 2013 zog Ronen nach Berlin und machte als Hausregisseurin am Gorki Theater Schule: die offen thematisierte ...
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Theater heute Mai 2019
Rubrik: Neue Stücke, Seite 28
von Eva Behrendt
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