Der Karneval geht weiter

Ein Gespräch mit Juri Andruchowytsch über Euphorien und Enttäuschungen eines Ukrainers in Europa und den Bubaismus

Theater heute - Logo

Barbara Burckhardt Der Held ihres Theaterstücks «Orpheus, Illegal», Stanislaw Perfetzki, ein reisender Dichter und politischer Aktivist, scheint nicht nur Ihr Alter Ego zu sein, er ist auch identisch mit dem Protagonisten Ihres dritten Romans von 1996, «Perversion», der ebenfalls nach Venedig reist, einen Kongress besucht und sich in eine schöne Ada verliebt. Seitdem sind neun Jahre vergangen. Was haben diese neun Jahre in den Geschehnissen um Perfetzki verändert?

Juri Andruchowytsch Das Stück und seine Hauptfigur sind sehr viel politischer, als es der Roman war.

Das liegt einerseits an der Aufgabenstellung des Düsseldorfer Projekts, das europäische Phobien in Bezug auf Mittel- und Osteuropa thematisiert, andererseits aber auch an meiner eigenen Politisierung in den letzten Jahren. Ich habe den Roman 1994/95, geschrieben, in einer ersten Phase politischer Stabilität in der Ukraine, und er ist eine sehr barocke, postmoderne und polyphone Spurensuche, die weit mehr an der Erprobung stilistischer, künstlerischer Möglichkeiten interessiert ist als an politischen Visionen. Die erste Fassung von «Orpheus, Illegal» habe ich im Oktober 2004 abgeschlossen, obwohl die Deadline für die ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute November 2005
Rubrik: Das Stück, Seite 46
von Barbara Burckhardt

Vergriffen
Weitere Beiträge
Der König ist nackt

Mit Symbolfarben ist es so eine Sache. Drei Tage vor der deutschen Hauruck-Wahl, die anschließend in Macho-Gedröhn und rechthaberischem Patt versandete, konnte man beim Betreten des Zuschauerraums in Düsseldorf für einen Moment glauben, in eine Wahlveranstaltung für die Kanzlerkandidatin der CDU geraten zu sein: Orangenes Licht ergießt sich über den Zuschauerraum,...

Tschechows Phantome

Es ist ein Abend, wie er im Theater eigentlich immer sein müsste: betörend, melancholisch, aber auch gescheit und scharf und ausweglos in seiner Konsequenz. Ein kleines bisschen fahrig vielleicht in seiner Collagierseligkeit, manchmal etwas zu beschwipst von den Einsatzmöglichkeiten des Komödiantischen, aber doch immer Blueprint für das Leben, wie es eben ist oder...

Flaute am Meer

In der Not der Erfindung ist die Hoffnung das Archiv. Dort liegen die gesicherten Schätze der Vergangenheit für all jene griffbereit, die Angst haben, etwas falsch zu machen. Und das Archiv als solches ist heute so groß, tief und weltumspannend, dass der arme Künstler, der mit dem Mut den Einfall verloren hat, vielleicht sogar hoffen darf, fremde Ideen unbemerkt...