Der Gesang des Schreies
Ihr Mund ist es, der einen verfolgt. Wenn Almut Zilcher den Mund öffnet, meint man, die Bühne verwandle ihr Format – von der Totale zur Großaufnahme. Ist er stumm, dieser Mund, oder seufzt er, giert er, lacht, weint oder schreit er? Der Schrei, so Jean-Jacques Rousseau, gebäre sich aus dem Willen zum Überleben des Menschen. Mit ihm verwildert die Stimme, echot zurück zu den Wurzeln, spuckt das gesammelte Gekreisch aus. Und der ganze Mensch wird Biologie. Der Mund wird zur Wunde – und zum Geschlecht wie in einer surrealistischen Montage von Dali, Buñuel oder Hans Bellmer.
Er öffnet einen Spalt zur Welt und reißt ein Loch ins Netzwerk sozialer Übereinkunft. Der Mund «als Fleisch, das zu reden beginnt», so beschreibt den Vorgang ihr Mann Dimiter Gotscheff und hat – wie immer – ein Heiner-Müller-Zitat parat: «Der Mund entsteht mit dem Schrei.» Almut Zilcher ist eine Mund-Schauspielerin, wie Jeanne Moreau oder Anouk Aimée. In Fellinis «Stadt der Frauen» hätte sie eine Rolle spielen, sein «Achteinhalb» um das Traumgesicht einer Femme fatale bereichern können.
Die Bühne steht ihr gut
Dabei sieht und fühlt Almut Zilcher sich selbst ganz anders, beschreibt sich als «schüchternen Typ». ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Corinna Harfouch hat bereits einige der sperrigsten Frauenfiguren gespielt, die die deutsche Geschichte hergibt: Eva Braun auf der Bühne, Magda Goebbels und Vera Brühne im Film. In Dagmar Knöpfels «Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern» spielt sie nun zur Abwechslung eine tschechische Dichterin des 19. Jahrhunderts, aber man erkennt sofort, warum Frau...
Der Herold des Tragischen hat’s heute so schwer wie der Prophet schon immer. Keiner will ihm zuhören. Das geht so nicht mehr, murmeln die Leute, führen Sprachzweifel und Formerwägungen ins Feld oder verschanzen sich gleich ganz hinter Gelächter. Das alles muss er hinnehmen. Sage aber keiner, dass Botho Strauß seine Pappenheimer deswegen nicht kennt, verwünsche er...
Barbara Burckhardt Der Held ihres Theaterstücks «Orpheus, Illegal», Stanislaw Perfetzki, ein reisender Dichter und politischer Aktivist, scheint nicht nur Ihr Alter Ego zu sein, er ist auch identisch mit dem Protagonisten Ihres dritten Romans von 1996, «Perversion», der ebenfalls nach Venedig reist, einen Kongress besucht und sich in eine schöne Ada verliebt....