Das Beste kommt noch!
In Herbert Fritschs Inszenierung «der die mann», die noch an der Castorf-Volksbühne entstanden und nach deren Ende ins Repertoire der Berliner Schaubühne gewandert ist, hat Annika Meier diese schräge Solo-Nummer. Sie tritt an die Rampe, um etwas vorzutragen, weiß aber vorgeblich nicht, wie sie anfangen soll. Kein Wunder; die Texte des Neodadaisten Konrad Beyer, auf denen der Abend basiert, lassen ja durchaus großzügige Interpretationsspielräume. «Er nahm die Dame an die Niere» oder «Emma nahm die Rinde, da er immer den Riemen nahm»: Das kann man in der Tat so oder so sehen.
Also ergeht sich Meier, um nicht beginnen zu müssen, in komischen Übersprungshandlungen; wirft hier einen angeschrägten Flirtblick ins Publikum, strapaziert da ein Tasteninstrument, reißt dort einem Kollegen den Kopfhörer von den Ohren und entwickelt dabei, aus dem Underdog- und Aufschubs-Schuldbewusstsein heraus, eine zusehends selbstvergessene Expressionsfreude, die sich praktisch mit Siebenmeilenstiefeln vom Ursprungsauftrag entfernt und für die das Adjektiv «anarchisch» fast noch tiefgestapelt ist.
Es scheint genau dieser Moment zu sein, für den Annika Meier auf der Bühne steht: die Emanzipation von ...
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Theater heute November 2018
Rubrik: Akteure, Seite 35
von Christine Wahl
Da stehen sie nun, die beiden stolzen Königinnen, und belauern sich: Elisabeth von England zeigt ihrer Konkurrentin den Rücken, entsetzt über deren Jugend, deren Schönheit, deren Unbeugsamkeit auch nach Jahren im Kerker. Maria Stuart wendet all ihre Wort- und Tränenkraft auf gegen Elisabeths Zorn und Furcht, die ihr da von kalter Schulter entgegenströmen, streckt...
Ein Herrenanzug auf einem Tisch. Sechs Männer und eine Frau, allesamt stummfilmhaft geschminkt und in weißer Feinripp-Unterwäsche, zupfen an ihm herum, bringen ihn allmählich zum Tanzen. Dann stülpen sie den Anzug einem von sich über, dem staunenden jungen Mann mit der Stirnlocke. Und im Handumdrehen ist er zum Protagonisten in Kafkas Erzählung «Das Urteil»...
«Die Sonne Satans schien vom Meer her, das man nicht sah, aber roch.» Das ist so ein Fritz-Kater-Satz von poetischer Wucht, ein Satz in den schon all das Grauen eingeschrieben ist, das das Mädchen (Mirjam Rast) erleiden wird, im Wäldchen, wo der Vergewaltiger (Manolo Bertling) wartet. «Die Sonne Satans», das ist der Hamster, den der Angreifer dem Mädchen schenkt,...