Aufstand gegen die Dummheit

David Harrower «Messer in Hennen»

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Messer in Hennen» von David Harrower ist so ein Beispiel dafür, wie rasch und sanft sich bis vor kurzem noch als radikal, abgründig und umwälzend gehandelte Stücke in den Stadttheater-Spielplan einfügen.

Griffig und assoziativ genug der Titel (bei «Shoppen und Ficken» aus der gleichen Entstehungszeit beispielsweise würde der Kulturausschuss schon hellhöriger werden), neumodisch versch(r)oben und reduziert die Handlung, Schauspieler-Futter für die Kleinst-Besetzung: Da kann sich mal «die junge Garde» dran «probieren», wenn’s hochkommt ein bisschen «austoben» – das ist was für die «Kammer».

Aber, ziemlich genau zehn Jahre nach der Uraufführung (und acht Jahre nach Thomas Ostermeiers Berliner Baracken-Inszenierung) noch einmal betrachtet: Ist es wirklich viel mehr als eine nur relativ gewagte und bisweilen gehörig gedrechselte Sprach-Spielerei, ein sehr bemühter Solidarpakt mit den Underdogs, ein ziemlich abgehobener und somit gefährlich sicherer Blick in die Abgründe gesellschaftlicher Randexistenzen? So oft zum Beispiel das Wörtchen «archaisch» auftaucht im Zusammenhang mit dem Stück, so oft empfiehlt es sich heute in Deckung zu gehen, weil es in der Regel nichts weiter umschreibt ...

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Theater heute November 2005
Rubrik: Chronik, Seite 41
von Bernd Noack

Vergriffen
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