Anfassen, Hören, Riechen

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Eine meiner Lieblingsanekdoten stammt von meinem Freund Jonas. Sein Ein-Personen-Klassenzimmer-Stück dauert etwa 45 Minuten, danach folgt ein ebenso langes Gespräch mit allen Schüler:innen in großer Runde. Reihum soll jede:r erzählen, woran sie bzw. er sich erinnern kann. Nach ein paar mehr oder weniger wortreichen Beschreibungen kommt ein Junge im schwarzen Kapuzenpullover an die Reihe, der meint: «Ich sage nichts.

» Auf Nachfrage, warum das so sei, brüllt er: «Weil Theater Scheiße ist!!»

Gleich vorweg: Der beste Ansprechpartner in Sachen Streams, digitale Aufführungen, digitale Räume und Online-Angebote war ich nie, bin ich durch die Pandemie auch nicht geworden und werde ich auch nie sein. Tatsächlich lösen diese Begriffe bei mir körperliche Reaktionen aus, die manche Leute beim Fingernägel-über-die-Kreidetafel-kratzen empfinden. Und das, obwohl diese und letzte Spielzeit mein Netflix-Abo glühte und mir mein iPhone-Wochenbericht ein ständiges schlechtes Gewissen bereitete. Letztes Jahr habe ich auch fast keine Theater-Streams angeschaut – aus dem einfachen Grund, weil sie mich traurig machten. 

Ich war traurig, dass das Licht nicht ausging, dass neben mir niemand saß, dass das ...

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Theater heute Jahrbuch 2021
Rubrik: Streaming, Seite 102
von Michael Wächter

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