Zuhören und Durchatmen

Statt Necati Öziris Kleist-Dekonstruktion «Gott Vater Einzeltäter» inszenieren Saphir Heller, Lena Wontora und Ensemble am Nationaltheater Mannheim «Cecils Briefwechsel»

Im Rom des 3. Jahrhunderts soll es eine Cäcilia gegeben haben, die ein gottergebenes Leben führte, heilig gesprochen wurde, seither als Schutzpatronin der Kirchenmusik unterwegs ist und an einem Fronleichnamstag in den Jahren der europäischen Religionskriege besonders gefordert war. Drei Brüder aus den Niederlanden, so die Legende, sollen zusammen mit einem weiteren radikalisierten Calvinisten und dem Vorsatz in den Aachener Dom eingedrungen sein, die inneren Werte der weithin sichtbaren Trutzburg des Katholizismus zu zerstören.

Was die vier nicht wussten: Zu der Zeit befanden sich im Dom auch Nonnen aus einem angeblich vor der Stadt gelegenen Kloster der heiligen Cäcilie. Und die sangen so herzbewegend, dass die reformatorischen Bilderschänder angesichts eines «vom Altan wunderbar herabrauschenden Oratoriums» erstarrten und fortan nur noch mit einer gewissen «feierlichen Heiterkeit» durch Aachen wankten. Die Verwandlung männlicher Gewalttäter in heilige Idioten sei einem Wunder gleichgekommen. Schließlich sei die Kantorin des Klosters mit heftigem Fieber darnieder gelegen. Dass die Nonnen trotzdem berauschend singen konnten, könne nur damit zusammenhängen, dass die heilige ...

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Theater heute Mai 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 56
von Jürgen Berger

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