Zürich: Diener mit Fehl­funktionen

Brecht «Herr Puntila und sein Knecht Matti», nach Robert Walser «Jakob von Gunten»

Theater heute - Logo

Am Schauspielhaus Zürich sind sie alle ein bisschen Matti. Brechts Titelheld, der seinen Herrn Puntila bekanntlich sicher im Studebaker von einer Eskapade zur nächsten chauffiert, neigt in Sebastian Baumgartens Inszenierung zur temporären Vervielfältigung seiner selbst. Eingangs stiert noch ein einsamer Johann Jürgens hinterm Steuer einer Holzspielzeuglimousine vor sich hin – ausgestattet mit Tattoos statt Ärmeln und einer neongrellen Livree, mit der er aus Finnlands Wäldern die Bären vertreiben könnte.

Kaum hebt sich der eiserne Vorhang, lungert außer Jürgens ein ganzer Chauffeurs-Chor vorm Wirtshaus herum und ist kollektiv das Warten leid, derweil sich Puntila mit Klarem den Kopf zurechtrückt. Der Trinkgenosse Richter (Klaus Bröm­melmeier) hängt alkoholleichenschlaff überm Tresen, aber Robert Hunger-Bühlers Gutsbesitzer schwadroniert sich eben erst warm. Was Puntila sagt, verflüchtigt sich rasch im dunklen Tann, verjagt vom alles übertölpelnden Eindruck: Hier steht ein Schnapsfass im Adamskostüm. Tatsächlich, das gibt’s.

Als Puntila seine bleiche Fatsuit-Wampe samt schwer gepolstertem Kapitalistenarsch endlich ins Chassis wuchtet, fährt Chris Kondeks Videoregie eine ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juli 2017
Rubrik: Chronik, Seite 66
von Stephan Reuter

Weitere Beiträge
Vor dem Gericht

Ein Mann, später noch ein zweiter sowie eine Frau – in einer Verhörsituation. Die immer wieder von Jump Cuts kurz gestörten Bilder sind schwarzweiß (so wie der Film insgesamt), die Delinquenten uns gerade zugewandt. Sie haben geschorene Köpfe, tragen stilisierte graue Jacken, sprechen frontal in die Kamera, jeweils im exakt gleichen Ausschnitt, wie auf einer...

An der grünen Grenze des Machbaren

 Ein Afrikanerjunge liegt reglos auf weißem Grund. Was fehlt ihm nur? Unwillkürlich springt die Assozia­tionsmaschine im Zuschauerhirn an. Da liegt ein Flüchtlingskind, ertrunken am Strand, verdurstet in der Sahara, erschlagen am Straßenrand. Armer kleiner Kerl.

Ein beleibter Weißer setzt sich an den Rand der Szene, knackt eine Schokoladentafel, vertilgt sie wie...

Wenn Kunst zu viel Arbeit macht

Unter Tage wird geschuftet. Nähma­schi­nen rattern, Zuschneideapparate kreischen, Ventilatoren surren, und aus dem fensterlosen Lagerhintergrund dringen diffuse Dröhn- und Stampfgeräusche. Neonröhren und vergitterte Fernsehbildschirme, über die der tschechische Trickfilm «Der kleine Maulwurf» flackert, spenden fahles Licht, zwischen Tischen und Raumteilern,...