Und alles immer seltsamer

Beckett «Glückliche Tage»

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Ist die in ihr Erdloch hineinwachsende, zunehmend bewegungsloser werdende Winnie aus Becketts «Glückliche Tage» nicht eine durchweg überlebte Figur? Und ihre stillstehende Welt, in der sie unerschütterlich optimistisch mit Zahnpastatube, Nagelfeile und Regenschirm gegen Nichtstun und Eintönigkeit kämpft, in Anbetracht von Rastlosigkeit und Reizüberflutung im digitalisierten Zeitalter nicht völlig harmlos?

In der Inszenierung des Franzosen Stéphane Braunschweig am Düsseldorfer Schauspielhaus (und in Kooperation mit La Colline, Théâtre National, Paris) zeigt sich der wenig Inszenieru

ngsfreiheiten bietende Klassiker durch ein paar Blickverschiebungen allerdings auf der Höhe unserer Zeit. Die Bühne von Braunschweig und Alexandre de Dardel erinnert an eine Rastergrafik für ein Computerspiel, hier steckt Winnie bis zur Hüfte in einem leuchtend blauen Krater aus Pappmaché, um sie herum halbfertige Kraterge­rüste aus Metallgestänge. Zugleich ist sie einer Kamera ausgeliefert, die sie riesenhaft auf eine hinter ihr befindliche Kinoleinwand projiziert: Unterkörperlos steckt sie dort im unwirtlichen Big Blue des Cyberspace. In diesem virtuellen Raum wachsen Feststellungen wie «Nie irgendeine ...

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Theater heute August-September 2014
Rubrik: Chronik: Düsseldorf, Seite 65
von Natalie Bloch

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