Und alles immer seltsamer
Ist die in ihr Erdloch hineinwachsende, zunehmend bewegungsloser werdende Winnie aus Becketts «Glückliche Tage» nicht eine durchweg überlebte Figur? Und ihre stillstehende Welt, in der sie unerschütterlich optimistisch mit Zahnpastatube, Nagelfeile und Regenschirm gegen Nichtstun und Eintönigkeit kämpft, in Anbetracht von Rastlosigkeit und Reizüberflutung im digitalisierten Zeitalter nicht völlig harmlos?
In der Inszenierung des Franzosen Stéphane Braunschweig am Düsseldorfer Schauspielhaus (und in Kooperation mit La Colline, Théâtre National, Paris) zeigt sich der wenig Inszenieru
ngsfreiheiten bietende Klassiker durch ein paar Blickverschiebungen allerdings auf der Höhe unserer Zeit. Die Bühne von Braunschweig und Alexandre de Dardel erinnert an eine Rastergrafik für ein Computerspiel, hier steckt Winnie bis zur Hüfte in einem leuchtend blauen Krater aus Pappmaché, um sie herum halbfertige Kratergerüste aus Metallgestänge. Zugleich ist sie einer Kamera ausgeliefert, die sie riesenhaft auf eine hinter ihr befindliche Kinoleinwand projiziert: Unterkörperlos steckt sie dort im unwirtlichen Big Blue des Cyberspace. In diesem virtuellen Raum wachsen Feststellungen wie «Nie irgendeine ...
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Theater heute August-September 2014
Rubrik: Chronik: Düsseldorf, Seite 65
von Natalie Bloch
Anfangsstation: Bahnhof, Ort der Unruhe, des Aufbruchs und Durchgangs. Im Bochumer Schauspielhaus bleibt auf weitgehend leerer Bühnenfläche, über die Raimund Bauer nichts als eine Lichtbrücken-Installation hängt, die Drehscheibe der konkrete und metaphorische Ort des Karl Siebrecht. Der 16-Jährige kommt, mutterseelenallein, aus der Uckermark ins Berlin der späten...
Sie tanzt. Gefühlt hundert Mal wird das Bild von Daniela Keckeis auf die Leinwände oberhalb der Bühne projiziert, auf der die Schauspielerin eine 1930er Cabaret-Nummer in ebensolchem Kostüm hinlegt und schließlich ihren Körper in schönster Wuttke-Manier zum Hakenkreuz formt. Unten singt sie dazu als Marianne Hoppe in einem von Silke Bauer installierten Kasten einen...
Als Matthias Lilienthal im Sommer 2012 mit einem launigen Theater-Parcours auf dem Tempelhofer Feld und einer dramatischen 24-Stunden-Bustour durch alte Westberliner Architektur-(Sünden-)Highlights seinen Ausstand als Intendant des Kreuzberger Theaterkombinats HAU gab, klang es in der Hauptstadtpresse ein bisschen so, als könne der Freie-Szene-Hort nach ihm...
