Trauma und Ehre
«Minna von Barnhelm» ist gleichsam eine knappe (einen Tag währende) psychoanalytische Kur, die das sächsische Edelfräulein am widerstrebenden Major Tellheim praktiziert: Was hat es denn mit dessen Kriegs-Traumatisierungen wirklich auf sich, wie sehr ist er «verkrüppelt», ein «Bettler», «unglücklich», und ist es denn wahr, dass «ein Unglücklicher gar nichts lieben muss»? Das Fräulein schlägt sich, assistiert von der munteren Sprechstundenhilfe Franziska, in der selbstgewählten Rolle gar nicht schlecht, nur findet sie am Ende so viel Gefallen daran, dass sie ihre Bemühunge
n doch ein wenig übertreibt …
Man hätte sich ohne weiteres vorstellen können, dass Karin Neuhäuser in ihrer Mülheimer Inszenierung aus purem Spaß an komödiantischen Volten und Finessen und dank eines spiellaunigen Ensembles den Aspekt des Therapeutischen am klassischen deutschen Lustspiel tiefer auslotet – wenngleich Gralf-Edzard Habbens Bühne kein freudianisches Labor, sondern eine Art Kostüm- und Requisitenfundus zeigt, dessen Mitarbeiter einem Spielzwang zu folgen scheinen: Aus den Pappkartons, die der mitspielende Requisiteur herbeischleppt, holen sie die gelben Reclamheftchen hervor, die sie zum Aufführen der ...
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Theater heute März 2013
Rubrik: Chronik: Mülheim, Seite 50
von Martin Krumbholz
Wolfram Lotz will das Unmögliche: Er will nicht sterben, er will aufgehoben sein in der Welt, er will die Welt mit der Sprache erfassen. Weil er das alles will, will er auch ein unmögliches Theater. Lotz' Strategie der formalen Überforderung des Theaters ist die Konsequenz seiner inhaltlichen Überforderung, nicht umgekehrt. Die formale Überforderung kommt daher als...
Treffpunkt ist das New Shimbashi Building im Süden Tokyos, ein etwas in die Jahre gekommenes mehrstöckiges Einkaufszentrum mit unzähligen kleinen Geschäften, Massageläden und Büros. Baujahr 1971, genau wie das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi, in dem es vor zwei Jahren in drei der sechs Reaktoren zur Kernschmelze gekommen war. Shimbashi ist nach wie vor sehr...
Die Theaterkarriere des Peter Handke begann mit einem Coup. Gleich das Debütstück des 23-jährigen Autors, «Publikumsbeschimpfung», schrieb Theatergeschichte. Als es im Juni 1966 im Theater am Turm uraufgeführt wurde, war Handke noch ziemlich unbekannt; sein erster Roman («Die Hornissen») war noch gar nicht erschienen. Kurz vor der Premiere hatte er auf einer Tagung...
