Stilwille gegen Inhaltismus
Das Beste an der Ruhrtriennale sind die tollen Orte, an die man gelotst wird. Nach all den Jahren gilt das nicht mehr so sehr für die gewaltigen deindustrialisierten Kathedralen einstiger Metallgewinnung und -verarbeitung – man kennt das inzwischen –, sondern eher für die putzigen und rührenden, bizarren bis einschmeichelnden vermeintlichen Problemzonen, an denen urbanistisch-soziologische, groß- und kleinstadtromantische und natürlich gentrifizierungskritische Installationen an den Start gebracht werden.
Jedesmal ist mein erster Reflex: Was!? Das soll das angeblich völlig heruntergekommene, von Arbeitslosigkeit gebeutelte Duisburg-Rheinhausen sein? Wo nur noch irgendein Szymanski mit dem Messer zwischen den Zähnen für Ordnung sorgen kann? Und dies der Drogenkiez der Dortmunder Nordstadt? Stattdessen Niedlichkeitsalarm: süße Arbeiterhäuschen, eine Änderungsschneiderei mit großzügigem Rosenschmuck, die Frau beim morgendlichen Bier vor der Eckkneipe mit den längsten blonden geflochtenen Extensions diesseits von fünfzehn Jahre alten R&B-Videos und der liebe verwirrte Rentner mit der coolen Pilotenbrille und der Sweatshirt-Aufschrift «Cheerleader».
Diesen Blick des leicht in Routinen ...
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Theater heute Oktober 2018
Rubrik: Festivals, Seite 6
von Diedrich Diederichsen
Man vergisst gern, dass «Der Kaufmann von Venedig» eigentlich eine Komödie ist. Der Handlungsstrang um die reiche Portia, die mittels Kästchenspiel einen geeigneten Mann sucht, könnte aus dem Märchenbuch stammen. Und das aberwitzige Leihgeschäft zwischen Antonio und Shylock, in dem ein Pfund Menschenfleisch als Pfand dient und ein falscher Winkeladvokat am Ende...
VORSPIEL
Eine winzige Gemeindebauwohnung. Feuerwehr und zwei Polizeibeamten im Raum. Die Wohnungstür ist aufgebrochen worden. Die Polizisten stehen vor einem offenen Schrank, dessen Inhalt nur für sie sichtbar ist. Im Raum stehen auffallend viele mit Tüchern abgedeckte Kästen herum, von der Größe etwa mit kleineren bis mittelgroßen Aquarien vergleichbar.
Erster...
Könnte es sein, dass zu #MeToo so langsam alles Wesentliche gesagt ist? Nur noch nicht von allen? Das Maxim Gorki Theater geht die Frage zum Saisonbeginn systematisch an. Im Vorprogramm zur neuen Yael-Ronen-Produktion «Yes but No» läuft im kleinen Studio eine Stückeigenentwicklung von Suna Gürler und Lucien Haug zum Thema Adam, die männliche Hauptfigur, unter einem...
