Rätsel der Leidenschaft
Die Ehe war zu Racines Zeiten keine Angelegenheit romantischer Selbstverwirklichung, sondern eine Staatsaktion, zumindest in den höheren Ständen. Entsprechend problematisch war die Liebe, die als bestenfalls nachgeordneter Effekt den pragmatischeren Zwecken des Zwischenmenschlichen besser nicht in die Quere zu kommen hatte. Der Mensch des Ancien Régime fühlte sich ganz selbstverständlich als öffentlicher Verstellungskünstler, Authentizität des Gefühls nach außen ein schwerer Fauxpas. So anders waren einmal die Zeiten.
Solche Unterschiede über die Jahrhunderte ignoriert Torsten Fischer (Regie und Bühne) großzügig. Schräg zum Portal ist eine hohe weiße Wand gekantet, vor der sich mit größter Selbstverständlichkeit heutige Zeitgenossen in besseren Anzügen oder eleganter Hausgarderobe unterhalten. Ihr international Chic wird nur von einem unschönen Seelenproblem gestört. Phädra, die Herrin des eleganten Hauses, hat sich in ihren Stiefsohn verliebt und ist von ihrer Leidenschaft ziemlich mitgenommen. Corinna Kirchhoff, jeder Zoll eine souveräne Bühnenkönigin, leidet erkennbar an schwerer Liebeserkältung und trägt das verwundetste Gesicht der Saison. Ihr malerisch verheultes Antlitz – ...
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Theater heute März 2013
Rubrik: Chronik: Berlin, Seite 46
von Franz Wille
Es beginnt mit einem Hochgeschwindigkeitsmonolog aus bunt, aber nicht absichtslos zusammengewürfelten Gedankensplittern, aufgelesen wohl bei einem Bummel durchs Münchner Museumsviertel, Namedropping à la Katalog oder was einem kunstinteressierten Auftragsautor beim Spazierengehen durch die fremde Gaststadt eben so ins Auge fällt. Da ist Cy Twomblys grandioser...
So ein Andrang war nie. 380 Anmeldungen gab es zur diesjährigen Konferenz der Dramaturgischen Gesellschaft, mehr als doppelt so viel wie erwartet. War es der Tagungsort München, der in diesen klirrekalten Januartagen jederzeit das Ausbüxen zum Skifahren ermöglichte, wie Kulturreferent Hans-Georg Küppers zur Eröffnung schelmisch anmerkte? War es das Ergebnis des...
Bei allen Krisen, die das Hamburger Schauspielhaus regelmäßig (und derzeit besonders intensiv) durchmachen muss, kann man sich doch auf eines verlassen: Egal, wie schlimm es zugeht, die Verschränkung des größten deutschen Sprechtheaters mit dem hanseatischen Popkultur-Untergrund funktioniert zuverlässig. Entsprechend scheint die Dramatisierung von Tino Hanekamps...
