Puppen am Rand des Nervenzusammenbruchs
Auf dem Büchertisch im Erlanger Theater lag es: das gelbe Reclam-Heftchen mit Heinrich von Kleists berühmtem Aufsatz «Über das Marionettentheater». Darin ist zu lesen von den heftigen Zweifeln des Dichters: Puppen- und Figurentheater hält er für etwas «Zusammengezimmertes», das «den Pöbel durch kleine dramatische Burlesken, Gesang und Tanz» belustigt, für «etwas Geistloses», das dem «Drehen einer Kurbel, die eine Leyer spielt», vergleichbar sei.
Stellen wir uns vor, Kleist wäre zu Gast gewesen bei der 20.
Auflage des Internationalen Figurentheaterfestivals in Erlangen, Nürnberg und Fürth (mit 70 Kompagnien aus 21 Ländern eines der größten des Metiers) – ihm wären die Augen übergegangen, der Kopf hätte ihm geschwirrt. Feine «Gliederpuppen», an Fäden hängend und stur und strikt den Ambitionen und der Fingerfertigkeit ihres Spielers folgend, hätte er fast vergeblich gesucht, dafür wäre er aus dem Staunen nicht herausgekommen über hemmungslos rockende Maulwürfe, frei schwebende Menschen, über Lichterscheinungen und fiepende Apparaturen, über empfindsame Giganten und aufmüpfige Gegenstände, die sich aus dem Alltagsleben stehlen und in ihrer Parallelwelt den Menschen nicht mehr dulden.
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Theater heute Juli 2017
Rubrik: Magazin, Seite 67
von Bernd Noack
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