Pädagogen
Lehrer darf man nicht unterschätzen. Spätestens seit Heinrich Manns «Professor Unrat» steht fest, dass noch im spießigsten Moralapostel und Schülerquäler ein lüsterner Anbeter verruchter Barfußtänzerinnen steckt, ein potenzieller Zuhälter, Spieler und Amokläufer gegen das System, das er selbst verkörpert und dem er alles verdankt. Natürlich darf man Pädagogen auch nicht überschätzen.
Welcher Lehrer, der heute seinen Schülern die Lektüre des Romans von 1905 auferlegt, rechnet schon damit, mit jenem lächerlichen Tyrannen Emanuel Raat verglichen zu werden? Beruhigend erstreckt sich beträchtliche historische Distanz zwischen der wilhelminischen und der bundesrepublikanischen Gesellschaft, die es in Klausuren herauszuarbeiten gilt.
Mit diesem geschichtlichen Abstand hat Regisseur Sebastian Baumgarten am Maxim Gorki Theater indessen so seine Schwierigkeiten. Einerseits buchstabiert er die Roman-Handlung ohne nennenswerte Eingriffe nach (Ausnahme: Raat erwürgt seine halbseidene Rosa), andererseits zeigt er wenig Ehrgeiz, Historisches zu rekonstruieren. Auf dem Dach eines aufgerissenen Containers (Bühne Alexander Wolf), der erst als Garderobe, dann als Wohnzimmer dient, begleitet die ...
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