Neuanfang mit Weltuntergang

Nach den wilden Voges-Jahren möchte der neue Direktor Jan Philipp Gloger das Wiener Volkstheater wieder breiter aufstellen. Zur Eröffnung gab’s für alle was: eine Jura-Soyfer- Collage, eine Michael-Haneke- Adaption und eine queere Komödie von Zak Zarafshan

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Wenn man in den Spielplancomputer die Begriffe «Volkstheater», «Wien», «Nestroy», «Politisches Theater» und «20. Jahrhundert» eingibt, kommt dabei Jura Soyfer (1912–1939) raus. Der linke Wiener Autor, Sohn russischer Juden, schrieb im austrofaschistischen Ständestaat der 1930er Jahre Szenen und Stücke für Kabarettbühnen. Um die Zensur auszutricksen, packte Soyfer seine Botschaften in märchenhafte Parabeln – auch darin ist er dem 100 Jahre älteren Johann Nestroy verwandt.

Nach dem «Anschluss» Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 wurde Soyfer beim Versuch, auf Skiern in die Schweiz zu fliehen, aufgegriffen und in Da -chau inhaftiert. Die Entlassungspapiere waren schon unterzeichnet, das USA-Visum lag bereit, als er 1939 im KZ Buchenwald einer Typhusinfektion erlag.

In Wien ist Jura Soyfer nicht vergessen. In den 1980er Jahren nannte sich eine freie Gruppe nach ihm («Jura Soyfer Theater»), zu seinem 90. Geburtstag 2002 wurde eine neue Werkausgabe herausgebracht, und kleinere Inszenierungen seiner Stücke gibt es immer wieder. Man kann also nicht von einer Wiederentdeckung sprechen, wenn Jan Philipp Gloger zur Eröffnung seiner Intendanz am Volkstheater Wien nun eine Jura-Soyfer-Collage ...

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Theater heute November 2025
Rubrik: Starts, Seite 34
von Wolfgang Kralicek

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