Nachbeben
Inmitten der Bühne schwebt eine Leinwand. Gesichtslose Knetmännchen führen hier einen grotesken Tanz zu elektronischen Klängen auf, in dessen Verlauf sie sich mit Nadeln erstechen. Dann erschüttert ein Erdbeben das aus weißen Spanplatten und Gerüststangen zusammengeschraubte, sich über zwei Ebenen erstreckende Bühnenprovisorium, Tassen in einem videoprojizierten Schrank fangen an zu scheppern, Lampen wackeln bedrohlich, gleichzeitig krampft ein Mädchen auf einem Bett in konvulsivischen Zuckungen: Pastors Betty kämpft mit dem Nachbeben der letzten Nacht.
Ein imposanter, aber nirgendwohin führender Auftakt einer Neuauflage von Arthur Millers Ende des 17. Jahrhunderts in Massachusetts spielender McCarthy-Parabel «Hexenjagd» von 1953, die Sebastian Baumgarten auf die grundlegenden Übel des heutigen medien- und fastfoodgeschädigten Amerika überträgt. Der «ideologische Krieg», der die historische Hexenverfolgung von Salem auch war, in dem «der Feind zunächst nur eine Idee ist» (Miller), lässt sich durchaus auf die ideologisch religiöse Doktrin eines George W. Bush beziehen, der nicht nur Angriffskriege gegen «das Böse» führt, sondern auch, wie mit dem Patriot Act, rechtsstaatliche ...
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Am Ende verschwindet die Hauptdarstellerin im Wald. Das kann man ruhig erzählen, obwohl es sich um einen Spannungsfilm handelt. Denn dieses Ende entscheidet nicht wirklich etwas (und außerdem ist es nicht ganz das Ende). Wie von unsichtbaren Bändern gezogen, geht die junge, schöne, akkurat zurechtgemachte Empfangskraft eines einsamen Hotels spät abends plötzlich...
Das Grauen hat viele Gesichter, und es hat viele Geschichten. Einige der wichtigsten hat Edgar Allen Poe aufgeschrieben. Er ist der Meister des subtilen Schreckens, der den Leser aus dem Hinterhalt mit Gänsehaut und undefinierbarem Unwohlsein überfällt. Ein Sprachkünstler, der in seinen kurzen Erzählungen so beiläufig wie beunruhigend kleine menschliche...
Beim Studium des Stadtplans meint man, auf ein Patchwork mit blinkenden Einzelteilen zu blicken. Die «Barrios» etwa sehen aus, als signalisierten sie in roter Farbe, dass man die wie Wespennester an den Steilhängen von Caracas klebenden Armenviertel auf keinen Fall betreten sollte. Derart abgeschottete Armutsenklaven finden sich allerdings auch in reicheren...