Mit vollem Ernst albern
Ein junger Mann kommt auf die Bühne, die leer geräumt ist bis auf ein Klavier. Ein Probenraum, in dem (noch) niemand zu wissen scheint, wohin die Reise geht. Und auch der Mann, der die Bühne durchquert und umrundet, als ließe der Ort sich so besser verstehen, sieht wie ein Suchender aus in seinen Alltagskleidern und mit dem Reclamheftchen als Navigationshilfe in der Hand. Tastend, fragend, den eigenen Worten hinterher lauschend spricht er die Zueignung, mit der «Faust I» beginnt, Goethes wehe Elegie, mit der er 1797 die Arbeit am Fauststoff wieder aufnimmt.
Die nun folgende Dreiviertelstunde von «Faust I» wird Sebastian Rudolph in einem grandiosen monologischen Alleingang meistern – den «Prolog auf dem Theater» mit Feuer und Pathos, das «Vorspiel im Himmel» als wirbelnde Sesamstraße mit senilem Gott im Hintergrund, die «Nacht» und das Folgende schon wieder nüchtern, genervt, den Versen samt ihrem zu Ohrwürmern geronnenen Bildungsgut denkend widerstehend. Wie Rudolph es schafft, all diese Bälle leicht und spielerisch in der Luft zu halten – die verschiedenen Stile, verschiedenen Rollen und eine hochkomplexe, dabei sehr direkt und verständlich gesprochene Sprache – und wie er dabei ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Die Spieler des Jahres, Seite 80
von Eva Behrendt
Jacqueline Bolton Die Inszenierung Sebastian Nüblings, die im September 2011 in Tallinn zur Uraufführung kam, anschließend in München und im Mai 2012 in London zu sehen war, unterscheidet sich beträchtlich von dem Text, den Sie zur Veröffentlichung autorisiert haben. Was ist der Grund dafür?
Simon Stephens Mein Text war nur der Ausgangspunkt dieser sehr speziellen...
Das Stück in Ihrem Spielplan heißt «Die Gier». Stellen Sie sich vor, obwohl Ihre Darstellungen immer besser wurden, weniger, weit weniger könnten die Zuschauer trotzdem mit einem Titel wie «Die Kreativität» anfangen. Sie wollten einmal ein Stück über die «Gier der Banken» zeigen, weil Sie dachten, das Theater könnte sich noch relevant um gesellschaftliche Probleme...
Was für großartige Gestrigkeiten: Elf bieder-korrekte Anzugmänner und Kostümfrauen, ganz Schlips und Bügelfalte mit grauem Hut, tauchen aus den Tiefen der 60er Jahre, weit entfernt von jeder Eleganz, Uniformträger einer untergegangenen Angestelltenkultur aus dem Geist der Vollbeschäftigung, als noch kein Mensch übertrieben originell oder kreativ sein wollte,...