Mehr Liebe!

Anne Habermehl «Daddy»

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Wenn Anne Habermehl das Unglück der Welt beschwört, gibt es kein Entrinnen. In «Letztes Territorium» wurde eine schwäbische Kleinfamilie dem sozialen Druck der Urlaubsbekanntschaft mit einem afrikanischen Bootsflüchtling ausgesetzt – mit naturgemäß fatalen Folgen für beide Seiten. In «Daddy» ist die Kleinfamilie schon in verstreute Bestandteile zerlegt, bevor alles anfängt. 

 

Daddy Pit scheint als vermutlich alleinerziehender Vater eines Geschwisterpaares gründlich versagt zu haben.

Tochter Jenny ist An­alphabetin, lebt zunächst vom Flaschensammeln, später hat sie einen Job als Pflegehelferin im Altenheim. Ihr Bruder Marco macht seinen Körper zu Kapital: als Stricher im Schwulenclub kommt er locker auf 500 Euro am Tag, wird aber gelegentlich von stürmischen Freiern zusammengeschlagen. Papa Pit – inzwischen arbeitslos und leicht verwahrlost – würde sich jetzt, wo es zu spät ist, gerne mehr um seine Kinder kümmern. Dabei schürft er schnell im Halbpoetischen, fabuliert zum Beispiel von einer «Pfuhlschnepfe». «Wildente» klingt im Vergleich noch stolz.

 

Apropos Ibsen und dessen bürgerfamiliäre Lebenslüge-Höllen: Es gibt noch den erfolgreichen Architekten Julian, verheiratet mit ...

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Theater heute August/September 2009
Rubrik: Chronik, Seite 76
von Franz Wille

Vergriffen
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