Mehr Liebe!
Wenn Anne Habermehl das Unglück der Welt beschwört, gibt es kein Entrinnen. In «Letztes Territorium» wurde eine schwäbische Kleinfamilie dem sozialen Druck der Urlaubsbekanntschaft mit einem afrikanischen Bootsflüchtling ausgesetzt – mit naturgemäß fatalen Folgen für beide Seiten. In «Daddy» ist die Kleinfamilie schon in verstreute Bestandteile zerlegt, bevor alles anfängt.
Daddy Pit scheint als vermutlich alleinerziehender Vater eines Geschwisterpaares gründlich versagt zu haben.
Tochter Jenny ist Analphabetin, lebt zunächst vom Flaschensammeln, später hat sie einen Job als Pflegehelferin im Altenheim. Ihr Bruder Marco macht seinen Körper zu Kapital: als Stricher im Schwulenclub kommt er locker auf 500 Euro am Tag, wird aber gelegentlich von stürmischen Freiern zusammengeschlagen. Papa Pit – inzwischen arbeitslos und leicht verwahrlost – würde sich jetzt, wo es zu spät ist, gerne mehr um seine Kinder kümmern. Dabei schürft er schnell im Halbpoetischen, fabuliert zum Beispiel von einer «Pfuhlschnepfe». «Wildente» klingt im Vergleich noch stolz.
Apropos Ibsen und dessen bürgerfamiliäre Lebenslüge-Höllen: Es gibt noch den erfolgreichen Architekten Julian, verheiratet mit ...
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Der Sensenmann ist schon da. Sportiv schwingt er im Mainzer TiC sein Instrument, das mikrofonverstärkt zischt, während um ihn herum das Chaos regiert. Drei Frauen haben es angerichtet, die in ihrer Wohnhölle ein letztes Mal Familie zelebrieren, bevor das Haus verkauft ist und eine neureiche Russin einzieht. Die Mutter schwelgt in Fotoerinnerungen, die zwei Töchter...