Kleine Dramenschule
Hand aufs Herz: Darf man 162 Menschen vom Himmel schießen, um möglicherweise eine Katastrophe in der Münchner Allianz-Arena zu verhindern? Weil ein Terrorist einen Airbus gekapert hat und droht, ihn ins laufende Länderspiel zu stürzen? Nein, darf man natürlich nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat ein etwas übereifriges Gesetz der Schröder-Regierung von 2005 denn auch bald kassiert. Aber wenn man’s trotzdem tut, als ein 162 Menschenleben gegen vielleicht viel mehr Tote abwägender Bundeswehr-Pilot? Dann wartet die Polizei, und es gibt einen Prozess.
«Terror», das erste Theaterstück des Bestseller-Autors und Strafverteidigers Ferdinand von Schirach, gibt diese Gerichtsverhandlung wieder. Es referiert ausgiebig die juristischen Argumente, erläutert anhand von Zeugenaussagen die Umstände der bundesdeutschen Luftverteidigung, führt einen auskunftsfreudigen Angeklagten vor, lädt Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu länglichen Plädoyers, erläutert nebenbei die Abläufe eines Strafprozesses und streut ein paar einschlägige Kant-Zitate und Juristenanekdoten ein. Alles schön der Reihe nach. Am Ende darf das Publikum abstimmen, ob der Angeklagte schuldig sei oder nicht. Je nach Ergebnis ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Foyer, Seite 1
von Franz Wille
Da stehen sie auf der Bühne. 23 Personen, davon sechs Schauspieler, der Rest Laien – und singen. Es ist eine Art chorischer Sprechgesang, den Marta Górnicka mit ihrem Ensemble eingeübt hat. Wie in ihrem festivalerprobten polnischen Frauenchor «Magnificat» oder «Requiemmaszyna» (s. TH 2014/10, S. 21) sind die Töne und Nuancen verwoben zu einem Klangteppich. Und wie...
Die Dramen sind nur so gut, wie ihre Zeiten schlecht sind. Wer wusste das besser als Heiner Müller? Mit dem Untergang der DDR sei sein Stoff verschwunden, ließ Müller schon kurz nach der Wende wissen. Der Stoff eines Landes, dessen Wirklichkeit bereits im landläufigen Sinne des Wortes «dramatisch» war, konfliktgesättigt, voller Zermürbungskämpfe in der Kluft...
In Hamburg scheint an diesem späten Freitagnachmittag die Sonne. Vor dem Hauptbahnhof steht ein langgestrecktes weißes Zelt, davor ein Schild: «Wir nehmen KEINE Kleiderspenden entgegen.» Fröhliche junge Frauen in gelben Helferwesten machen Quatsch mit fröhlichen kleinen Kindern von dunkler Hautfarbe. Junge Männer tigern rauchend auf und ab. Von der Bank auf dem...
