Kassel: Blauer Dunst
So ein blaues Licht ist eine praktische Sache. Wenn man damit seine Pfeife anzündet, erscheint ein schwarzes Männchen und erledigt die gerade anliegenden Drecksarbeiten. Eine böse Hexe will den armen Soldaten im Brunnen verschimmeln lassen? Das schwarze Männchen greift ein, raubt ihr Gold und bringt sie an den Galgen. Der undankbare König will den kriegsuntauglichen Veteranen nicht mehr beschäftigen? Das schwarze Männchen raubt die Königstocher und macht sie zur Dienstmagd.
Der König will als Rache den Soldaten hinrichten lassen? Das schwarze Männchen verprügelt ihn und seine Richter, bis er abdankt und den Soldaten zu seinem Nachfolger macht.
In Rebekka Kricheldorfs Märchen-Aktualisierung gibt es verständlicherweise kein schwarzes Männchen mehr, und das Gewaltmonopol sitzt gut internalisiert im Kopf des traumatisierten Ex-Kriegers. So mordet, rächt und vergewaltigt sich der arme Mann zwar durch alle Stationen der Grimmschen Vorlage, hat aber keine Chance auf Erfolg und Reichtum. Er rackert bei einer ausbeuterischen alten Lustgreisin, kidnappt und missbraucht eine junge Frau und muss sich schließlich von einem zynischen Gefängnisseelsorger verhöhnen lassen, bevor er auf dem ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute April 2017
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Franz Wille
Es scheint, dass in Europa zur Zeit die Furcht vor der gegnerischen Provokation größer ist als der Drang zum Streitgespräch. Die Folge davon ist meistens ein freundliches Lächeln des Gegners. Deswegen: Nach der von vielen deutschsprachigen Theaterkünstlerinnen und -künstlern geforderten Absage des Podiumgesprächs «Die neue Avantgarde» im Züricher Theaterhaus...
Eva Behrendt Herzlichen Glückwunsch, Ihr erstes Theaterstück «Vereinte Nationen» ist gleich zu den Mülheimer Stücken eingeladen geworden!
Clemens Setz Danke, das freut mich sehr. Das hätte ich gar nicht erwartet, mein Stück ist ja, von den benutzten Technologien mal abgesehen, eher zeitlos.
EB Wirklich? «Vereinte Nationen» erzählt davon, wie ein Vater sich und seine...
Es gibt sie noch, selbst in unserer überinformierten und ausdiskutierten Welt, Themen, die jeden einzelnen betreffen und über die doch beharrlich geschwiegen wird. Und wenn sich jemand daran macht, mit behutsamer Neugier nachzufragen, wie die deutsch-amerikanische Theatermacherin Karen Breece in ihrer jüngsten Theaterproduktion «don’t forget to die», dann liegt in...