Im Mausoleum der Gemütlichkeit
Ihren größten Trumpf spielten die Wiener Festwochen 2009 erst zum Schluss aus. Die letzte Produktion des Festivals war als erste ausverkauft gewesen und auch von Menschen mit Spannung erwartet worden, die nicht zum engeren Kreis der Theaterinteressierten gehören. Wien fieberte der Weltpremiere einer «Othello»-Inszenierung von Peter Sellars entgegen. Warum, ist leicht erklärt: Als Jago stand Philip Seymour Hoffman auf der Besetzungsliste.
Weißer Außenseiter Jago?
Der auf die Darstellung verklemmter Nerds spezialisierte Filmstar ist für die Rolle keine schlechte Wahl; auch Jago ist ja nicht unbedingt ein Mensch, der sich wohlfühlt in seiner Haut. Hoffman legt ihn als gedemütigten, dumpfen Brüter an, der aus seiner kriminellen Energie keine Lust gewinnt, eher im Gegenteil. Hoffman trägt schwer an der Last seiner Bosheit. Den massigen Körper schleppt er etwas gebückt über die Bühne, den massenhaften Text nuschelt er mit starkem amerikanischen Akzent aus sich heraus (wobei ihm bei der Premiere zwei Mal die Souffleuse auf die Sprünge helfen musste).
Es ist ein schwer analysierbarer Cocktail aus Neid und Frustration, Minderwertigkeitskomplexen und Machtfantasien, der Jago zu seiner ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
«Fahrstuhl zum Schafott», das Debüt des französischen Filmregisseurs Louis Malle, ein mit einer wundervoll coolen Jazzmusik unterlegter später Beitrag zum Film Noir, hat offenbar Pate gestanden für Marcel Luxingers in Bochum uraufgeführte Wirtschaftskrisenfarce «Fahrstuhl zum Bankrott» – allerdings nur, was den Titel betrifft. Darüber hinaus hat der wenig...
Als sich der Kleinbus von der Nähe des Damaskustores aus in Richtung Ramallah in Be-wegung setzt, ist es noch früh am Morgen. Von Jerusalem bis nach Ramallah sind es nur knappe 15 km. In diesem Landstrich können 15 km allerdings Welten trennen. Kaum hat der Bus die Stadtgrenze im Norden hinter sich gelassen, erreichen wir Kalandia, einen der größten israelischen...
«Ich könnte vielleicht Puppen herstellen, die Herz, Gewissen, Leidenschaft, Gefühl, Sittlichkeit haben. Aber nach dergleichen fragt in der ganzen Welt niemand. Sie wollen nur Kuriositäten in der Welt; sie wollen Ungeheuer. Ungeheuer wollen sie.» Die Klage des alten Wachsfiguren-Schöpfers Tino Percoli in Joseph Roths Roman «Die Geschichte der 1002. Nacht» könnte...