Herzerwärmend
Für kaum einen zeitgenössischen Romanautor hat sich das deutschsprachige Theater in den letzten Jahren so sehr interessiert wie für Michel Houellebecq. Nicht nur, dass eines der spektakulärsten Theatereignisse der Saison 2000/1 der nicht stattfindende Auftritt des soziophoben Kettenrauchers vor der vollbesetzten Berliner Volksbühne war.
Mit einer Mischung aus Faszination und Ekel haben sich außerdem Regisseure wie Frank Castorf, Johan Simons und Andreas Kriegenburg den schonungslosen Innenansichten seiner männlichen Durchschnittsmonster zugewandt und versucht, intellektuelle Schneisen durch das krude Thesengemenge aus finsterer Kulturkritik und zynischen Menschenabschaffungsfantasien zu schlagen. Selten mit Erfolg: Allein in Johan Simons’ minimalistischen Zürcher «Elementarteilchen» schafften es vier großartige Schauspieler auf kühl-unterhaltsame Weise, ihre Figuren den Text Lügen strafen zu lassen.
Gefühle bedienen
So war diesmal das Theater schneller. Denn jetzt erst ist der Meister aus Frankreich auch im Kino angekommen. Dass und vor allem wie jetzt Oskar Roehler die Geschichte der Halbbrüder Bruno und Michel verfilmt hat, bestätigt auf den ersten Blick alte Vorurteile: ...
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