«Etwas Unvernunft, bitte!»

Hans-Thies Lehmann versucht die Rettung der tragischen Erfahrung gegen ihre aufklärerischen Verächter mit einem Parforceritt durch die abendländische Theater- und Theoriegeschichte

Theater heute - Logo

Eine Theorie der tragischen Erfahrung, eine Geschichte des dramatischen Theaters, eine Gegenwartsdiagnose und das Plädoyer für eine «postdramatische» Tragödie – so ließen sich die drei Gegenstände beschreiben, denen diese Studie sich widmet.

Und wenn sie mit ihren 734 Seiten Länge, ihrer Fülle von Verweisen und Zitaten, ihrer 24 Seiten langen Literaturliste und ihrem immerhin sieben kleingedruckte Seiten umfassenden Personenregister auf den ersten Blick überwältigt, ja einschüchtert, so stellt man doch beim Lesen von Hans-Thies Lehmanns «Tragödie und dramatisches Theater» erleichtert fest, dass es sich des Umfangs zum Trotz weniger um ein Opus magnum im klassischen Sinne handelt, als vielmehr um eine mit langem Atem, viel Leidenschaft und ebenso viel Ungeduld im Detail verfasste Streitschrift. Kritische Theorie, die bei aller Ausschweifung ein klares Ziel vor Augen hat: die Etablierung einer aufs Theater bezogenen Tragödientheorie und damit zugleich und darüber hinaus einer anderen, das gesamte Feld auf­mischen­den Theatergeschichte.

Entgegen dem ersten Eindruck, der ersten Befürchtung (oder Hoffnung), ist es nicht die Abbitte eines Renegaten, das milde Alterswerk eines vom Saulus ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Oktober 2014
Rubrik: Theorie, Seite 44
von Nikolaus Müller-Schöl

Weitere Beiträge
Die Angela und der Sigmar

Hat die Dame wirklich (schon) das Zeug zur Theaterfigur? Sicher, das, was man ihr nachsagt, ist wie aus dem Shakespeareschen Charakter-Fundus: «Die Raffinierte», «Königin der Macht», «Die heißkalte Frau», «Die Unterschätzte», gar eine «Lady Eisenherz» soll sie ja sein. Und doch sagen irgendwie alle «Mutti» zu ihr. Wie geht das zusammen? Und vor allem: Wie prickelnd...

Drei Trommelschläge

Die Nachricht von Gottfried Johns Tod erfuhr ich durch die Medien. Das hätte früher, als wir uns kennenlernten, keiner von uns gedacht, nämlich, dass je einer von uns sterben könnte, ganz zu schweigen davon, dass wir nicht ständig überein­ander Bescheid gewusst hätten.

Wir sprachen oft über den Tod, aber ebenso häufig über die Liebe, das Theater, die
Literatur, die...

Endlich am Anschlag

Auf dem Titel des zahlenstärksten Theaterbuchs der Saison prangt schon seit Jahren eine weiße Sta­tisitikkurve vor rotem Grund, die steil nach oben weist. Erst beim genaueren Hinsehen erkennt man, dass die Fotovorlage um 45 Grad gedreht ist und die Kurve an ihrem obersten Punkt eigentlich gerade abfällt. Was die gerade veröffentlichte «Theaterstatistik 2012/13» des...