Erinnerungstaumel
«Warum war die Großmutter denn nicht an den Gleisen bei uns da in der Bahnhofshalle, Mama?» Beharrlich bohren die vier einst mit ihren Eltern aus der DDR geflüchteten Mädchen bei ihrer Mutter nach. Doch an die Gründe für die großmütterliche Abwesenheit am Tage ihrer Abreise will oder kann sich ihre Mutter nicht erinnern. Mit dem vielstimmigen, persönlichen Rückblick einer Familie auf ihre Flucht in den Westen gelingt Henriette Dushe eine Sprachpartitur über das Erinnern schlechthin.
Zu Recht ist sie dafür zur Siegerin der 3. Essener Autorentage «Stück auf!» 2014 gekürt worden.
Lediglich die «Mutter» ragt in dem «Bühnentext für fünf Frauen» als Einzelstimme heraus, ansonsten mäandert das Sprechen zwischen den als «Eine», «Einige» oder «Andere» bezeichneten Töchtern. Der Vater hat sich obwohl Motor der Flucht nach der Ankunft im Westen in die Depression verabschiedet und bleibt dementsprechend stimmlos. Minutiös kreisen die Erinnerungssplitter um die Vorbereitungen der Flucht, die Spannung der Abreise und die Enttäuschung des Nicht-Fußfassens im Westen. Worte stocken, Sätze versanden («warum hast du nicht / Irgendwann da, da hättest du doch»), dann wiederum drängt die Erinnerung ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Chronik, Seite 54
von Natalie Bloch
Wie schön sich der Muezzin anhört, der aus dem weißen Grab aus Laken singt. Eine ferne Erinnerung für Ramie (Patrick Berg), der in der syrischen Stadt Homs einst für Demokratie kämpfte und es nun über das Mittelmeer geschafft hat, gelben deutschen Käse isst und von Kardamomkaffee und seinen toten Freunden träumt.
«The Trip» von Anis Hamdoun ist eine ergreifende...
Gent müffelt. In den engen Straßen lehnen reihenweise Abfallsäcke an den Häuserwänden. Mitten am Tag. Die Müllabfuhr streikt. Sieht auch nicht schön aus, das Innere nach außen gekehrt, in Plastik verpackt. Zum Glück ist es Ende Mai nicht heiß. Der Soundtrack dazu: Bohren, Schleifen, Klopfen, Rattern, in jeder Straße eine Baustelle. Eine schicke neue...
Der Countdown läuft. Rund um den Münchner Theateräquator Maximilianstraße werden in diesem Herbst die Claims neu abgesteckt. Mit wechselseitigem Gastinszenieren wie in den letzten Jahren durch die beiden Intendanten Johan Simons und Martin Kušej ist nun nicht mehr zu rechnen. Stattdessen testet Matthias Lilienthal mit seinen mehr neckisch als provokant in...
