Die Zwiebel vorm Auge
Mit der normativen Grundlage der menschlichen Urteilskraft verhält es sich in etwa wie mit der Zwiebel in Ibsens «Peer Gynt». Will man zum Kern des ästhetischen Urteils vordringen, folgt Schale auf Schale, während das Auge des Betrachters der Zwiebel zunehmend selbst normative Kraft gewinnt. Wer vor lauter Tränen keine Zwiebel mehr sieht, legt sie schnell beiseite, wartet auf trockenere Zeiten und erinnert sich an den letzten Theaterbesuch.
Auch da ist das mit der Urteilskraft so eine Sache und das Auge des Betrachters das wichtigste Organ – selbst wenn es nässt und eine Uraufführung mit einer Podiumsdiskussion beginnt.
Ort der Handlung: Frankfurt. Auf dem Podium sitzen: Intendantin Elisabeth Schweeger, die Regisseure Christof Nel und Armin Petras sowie Peter Iden. Der ehemalige Redakteur der «Frankfurter Rundschau» soll Moderator einer Diskussion über «Das Theater als (post-)moralische Anstalt» sein, übernimmt aber beherzt die Rolle der Zwiebel, obwohl Einigkeit herrschte, Dekonstruktion und Pop hätten letztlich doch nicht die Moral von der Bühne vertreiben können, da man sich vor allem im Theater nicht nicht-moralisch verhalten könne. Mit dem Podium wurden die «Frankfurter ...
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Zuletzt habe ich ihn vor einem guten Jahr gesehen, als fanatisch intoleranten Patriarchen in Lessings «Nathan der Weise» am Schauspiel Frankfurt. Erst saß er still auf einer Bank links über dem Abgrund, zu dem sich die Bühne geöffnet hatte. Als er drankam, ging er, von einer kostümierten Souffleuse begleitet, auf seinen Ex-Kathedra-Platz hinten über dem Abgrund,...
Da steht ein junger Mann mit Bärtchen in einem kleinen Raum, der trotz seiner Transparenz – er ist aus dunklen Gazevorhängen gebildet – klaustrophobisch anmutet und als einziges Möbelstück einen schwarzen Stuhl enthält. Keinen Schrank. Der Mann mit Bärtchen heißt Wolf. Er raucht. Er trägt einen konservativen Anzug, eine dezent gestreifte Krawatte und einen...
Dass es nicht mehr opportun ist, das künstlerische Genre der Fernsehserie gering zu schätzen – das spricht sich herum. Aber wenn dieser noch vor wenigen Jahren eher belächelten Kunstform inzwischen sogar moralische Qualitäten nachgesagt werden, horcht man doch immer noch auf. Wie erst, wenn das Ganze weltpolitische Maßstäbe annimmt!
Schenkt man der «taz» Glauben,...