Die Trauer glanzvoll gestalten
Genet wusste sehr genau zu unterscheiden. Er sei «ein Mann der Revolte», gab er Hubert Fichte 1976, zehn Jahre vor seinem Tod, zu Protokoll, keineswegs der Revolution. «Wenn eine wirkliche Revolution stattfände, könnte ich nicht dagegen sein. (...) Ich möchte, dass die Welt sich nicht verändert, damit ich mir erlauben kann, gegen die Welt zu sein.» Er hätte auch sagen können: Mich interessiert nicht die Realität, mich interessieren Erotik, Energie und Attitüde des Widerstands: das Spiel, der Traum, die Konstruktion gegen die Zumutungen der Realität.
Nur im Spiel, in der Literatur, auf dem Theater konnte der schwule Ex-Kleinkriminelle Genet, der sich mit Unterstützung von Jean Cocteau und Jean-Paul Sartre aus dem Knast herausschrieb, zum Mörder werden und zum Rächer der Außenseiter und Enterbten, vom Dienstboten bis zum «Neger», zu denen er sich emphatisch auch noch zählte, als er längst weltberühmt war. Die literarisch höchst ergiebige Outcast-Position trieb er in einen Sprachrausch zwischen Bordell-, Knast- und pathetisch aufgeladener Hochsprache.
In der Alptraum-Röhre
Stefan Pucher hat diese Selbstauskunft Genets konsequent zur Grundlage seiner Inszenierung der «Zofen» an den ...
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Theater heute August-September 2014
Rubrik: Festivals/Aufführungen, Seite 30
von Barbara Burckhardt: Stefan Pucher, Genet
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