Die Menschheit in 90 Minuten
Am reinen Toren Parzival hat Tankred Dorst einen Narren gefressen. Immer wieder hat er sich mit dem mittelalterlichen Anti-Helden beschäftigt, unter anderem in «Merlin» und der Erzählung «Der nackte Mann». 1987 schließlich hat Dorst für eine Robert-Wilson-Inszenierung am Thalia Theater ein «Parzival»-Szenarium geliefert, das «nicht als festgefügtes Stück, sondern eher als szenische Annäherung an eine mythische Figur verstanden werden will» (Ursula Ehler).
Die offene Sammlung aus Prosatexten und Szenen, die der Fabel nur skizzenhaft folgt, war nun auch Basis für David Böschs Inszenierung im Akademietheater, die mit Dorsts Vorlage ebenso kursorisch umgeht wie diese mit dem Mythos.
Einen Monolog, in dem «ein Herr» nach dem Ende der Welt die Geschichte eines «erloschenen Zwergplaneten» namens Erde zusammenfasst, stellt Bösch an den Anfang, und er legt sie dem Teufel (Dietmar König) in den Mund. Es geht also ums Ganze, Parzival steht hier für die Menschheit. Das dürfte zwar durchaus in Dorsts Sinn sein, ist für den 90 Minuten kurzen Abend aber eine allzu steile Vorlage – und eh nicht so ernst gemeint. Bösch wollte offenbar nur ein bisschen spielen.
Lucas Gregorowicz als sehr kindlicher ...
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Theater heute August-September 2014
Rubrik: Chronik: Wien, Burgtheater, Seite 69
von Wolfgang Kralicek
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