Die Kunst, vernünftig Unsinn zu reden

Kolumne

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Sie erwarten jetzt vermutlich Haltung und Vernunft – gestatten Sie mir den Spaß, stattdessen mit ein wenig Unsinn zu beginnen und hoffentlich auch zu enden. Denn genau darum geht es: um die ernsthafte Notwendigkeit von Unsinn. Bleiben Sie dran, es könnte lustig werden mit uns. Oder ernst. Wahrscheinlich beides gleichzeitig. Aber wo waren wir? Ach ja, bei uns – oder besser gesagt beim «Wir». Ich habe nämlich ein Problem: Sobald ich es benutze, höre ich innerlich Stimmen, die fragen: Wen genau meinst du jetzt? Mich etwa auch? Oder gar nicht? Dabei mochte ich «Wir» immer gern.

Früher, da war «Wir» einfach wir. Wir gegen Nazis, gegen Unrecht, gegen Schlechtwetter. Heute ist hinter jedem «Wir» ein unsichtbares Fragezeichen. «Wir» ist ein Wort, das ich kaum mehr aussprechen kann, ohne mich verdächtig zu fühlen.

Vielleicht ist Haltung schuld. Haltung soll ich haben, Haltung zeigen, und bitte schön eindeutig. Aber Haltung macht mich nervös. Kaum positioniere ich mich, fühlt sich jemand ausgeschlossen oder falsch eingeschlossen. Ich habe den Eindruck, Haltung funktioniert heute nur noch, wenn sie mit empörter Stimme und erhobenem Zeigefinger daherkommt. Und ehrlich gesagt: Dazu bin ich ...

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Theater heute Mai 2025
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Emre Akal

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