«Die Dämonen sind losgelassen»

Ein Gespräch mit dem Regisseur Jan Klata über das Theater in Polen, eine zerfallende Zivilgesellschaft, den Rückzug ins Private, das nationale Programm, politische Zensur und weitere Paradoxa und Absurditäten

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Iwona Uberman Sie haben vor kurzem im Słowacki-Theater in Krakau «Act of Killing» nach dem Dokumentarfilm-Reenactment von Joshua Oppenheimer inszeniert. Ich habe gehört, dass Sie jeden Tag vor der Probe im Büro des Intendanten vorbeischauten, um sich zu vergewissern, dass er noch im Amt ist.
Jan Klata Ja. Ich hatte zuvor schon unangenehme Erfahrungen in einem anderen Theater.

Während meiner Arbeit im Jaracz-Theater in Lódz 2020 wurde der dortige Intendant von heute auf morgen abberufen, und ich habe die Proben zu «La vengeance d’une orpheline russe» von Henri Rousseau nicht beendet. Jetzt ist dort ein sehr religiöser und äußerst patriotischer, kaum bekannter Schauspieler Intendant, der der Ehemann einer PiS-Abgeordneten ist. Als ich im Słowacki-Theater probte, lief gerade das Amtsenthebungsverfahren des dortigen Intendanten, eingeleitet durch den Vorstand der Woiwodschaft Kleinpolen, den die PiS stellt. Für uns entsprachen die Arbeitsbedingungen nicht den europäischen Standards, man wusste nicht, ob die nächste Probe stattfindet, ob es zur Premiere kommt oder ob nicht vielleicht am Nachmittag oder in der Nacht – die Entscheidungen in der PiS-Partei fallen oft nachts – Krzysztof ...

Iwona Uberman, geboren in Polen, Theaterwissenschaftlerin und Skandinavistin. Arbeitet als Kritikerin und Übersetzerin, u.a. für die polnischen Theaterzeitschriften «Teatr» und «Dialog». Lebt in Berlin.

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Theater heute Juli 2023
Rubrik: International, Seite 44
von Iwona Uberman

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