Der kommende Schrott

Christoph Schlingensief «Der Animatograf: Odins Parsipark»

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Im deutschen Wald riecht es würzig. Fledermäuse schießen durch die Sommerabendluft, und der aufgehende Vollmond gießt milchiges Licht über die grasbewachsenen Militärflugzeughangars, deren Pforten so aussehen, als fange dahinter die Unterwelt an. Doch der schwarzromantische Schein der Idylle trügt. Im Wald von Neuhardenberg ist die Kunst ausgebrochen. 

Ein Muezzin ruft, Schweine brüllen durchdringend in Todesangst.

In den Schuppen und Scheunen am Rande des ehemaligen NVA-Flughafens wird zu Wagnerklängen der Gral bewacht und ein Fisch-Hase verehrt, die Mondlandung gedreht und Demokratie zerstört, ein Huhn nach Afrika verschickt und ein Hitler-Stalin-Pornogezeigt. Christuskreuze und Wohnzimmerlampen markieren den Wegesrand, ein angeknackstes Adorno-Tape definiert vom Lagerhochsitz herab den Kapitalismus, Adriano Celentano plärrt gegenüber «Azzuro», und selbst der «Führer» (Horst Gelonneck) irrt durchs kunsthungrige Publikum von «Odins Parsipark». Nachdem in den vergangenen Jahren der Schauspieler Martin Wuttke für die Stiftung Neuhardenberg mit gehobenem Sommertheater die Berliner Saison eingeleitet hat, lud dieses Jahr Christoph Schlingensief in den Voodoozauberzoo seiner «modernen ...

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Theater heute Oktober 2005
Rubrik: Chronik, Seite 41
von Eva Behrendt

Vergriffen
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«When the music’s over turn out the lights …»

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Am Ende liegt Tristan auf dem Parkettfußboden. Isolde hat sich auf das verstellbare Krankenbett geworfen, in dem Tristan zuvor siechend und singend den dritten Akt verbracht hat. Nein, die Liebenden haben nicht zur Vereinigung im Tod gefunden. Das Sterben ist mal wieder nicht gelungen. Die allgemeine...

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