Der große und der kleine Tod
«Die Nikon D 300 S», wendet sich Nathan (Robin Sondermann) ans Publikum, «liegt mit Akku und Speicherkarte bei 870 Gramm.» In Sondermanns Stimme liegt ein leichtes Zittern, liebevoll, begehrend, hastig: «Der Handgriff der Nikon D 300 S ist extrem ergonomisch ausgeformt.
» Aus zwei Gründen ist es eine kluge Entscheidung, diese halbmasturbatorische Liebeserklärung an einen Fotoapparat an den Beginn der Dramatisierung von «Verzehrt», dem voriges Jahr erschienenen Debütroman des kanadischen Kinoregisseurs David Cronenberg, zu stellen: Einerseits versteht man sofort, dass das Verlangen Nathans objektfixiert ist. Und andererseits ist damit die Bedeutung von Bildern gesetzt: Nathan und seine Freundin Naomi (Annemaaike Bakker) sind Fotojournalisten, die erzählen jede Geschichte primär übers Bild. Und begehren Kameras.
Allerdings verweigert Uraufführungsregisseur Felix Rothenhäusler am Theater Bremen ausgerechnet Bilder ziemlich lange. Naomi recherchiert an einem Kriminalfall (Philosoph Aristide soll seine Frau getötet und teilweise verspeist haben), während Nathan eine schwer unseriös wirkende Krebsoperation fotografiert und sich im Anschluss bei der moribunden Patientin eine ausgerottet ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Chronik, Seite 54
von Falk Schreiber
Hand aufs Herz: Darf man 162 Menschen vom Himmel schießen, um möglicherweise eine Katastrophe in der Münchner Allianz-Arena zu verhindern? Weil ein Terrorist einen Airbus gekapert hat und droht, ihn ins laufende Länderspiel zu stürzen? Nein, darf man natürlich nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat ein etwas übereifriges Gesetz der Schröder-Regierung von 2005 denn...
Über die zehn Gebote ist im Grunde alles gesagt, seit Moses mit den Tontafeln vom Sinai stieg. «Du sollst nicht töten.» Klar formuliert, versteht jeder. «Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.» Auch klar formuliert. Aber die Menschen halten sich nicht dran. Daher ist eben doch nicht alles gesagt. Was das Schauspielhaus Zürich zu einem Saisonstart mit...
Da stehen sie auf der Bühne. 23 Personen, davon sechs Schauspieler, der Rest Laien – und singen. Es ist eine Art chorischer Sprechgesang, den Marta Górnicka mit ihrem Ensemble eingeübt hat. Wie in ihrem festivalerprobten polnischen Frauenchor «Magnificat» oder «Requiemmaszyna» (s. TH 2014/10, S. 21) sind die Töne und Nuancen verwoben zu einem Klangteppich. Und wie...
