Das Chaos als angewandte Kunst
Eine halbe Stunde vor der Premiere von Maxim Gorkis Szenen aus der Tiefe, «Unten», trifft man Ernst Stötzner mit einem Blumenstrauß im Arm an der Drehtür des Hotels «Reichshof» gleich neben dem Hamburger Schauspielhaus. «Ist was?», reagiert er fidel auf erstaunte Blicke. Kurz vor Beginn des ebenfalls von Jürgen Gosch inszenierten Düsseldorfer «Macbeth» zur Eröffnung des diesjährigen Berliner Theatertreffens eine ähnliche Szene.
Stötzner bunkert sich nicht in der Garderobe ein, sondern spaziert umher, steht plaudernd zwischen Tür und Angel im Garten des Festspiel-Hauses. «Der Ernst ist da ganz cool – oder er tut so», sagt sein junger Kollege Devid Striesow über seinen Partner in Shakespeares Königsdrama.
Ja, er müsse den Umweg über die Coolness gehen, räumt Ernst Stötzner ein: «Sonst frisst mich die Aufregung auf.» Deshalb komme er auch meistens zu spät – und erinnert sich an eine Premiere, den «Marat/De Sade», da habe er um Viertel nach Sieben noch in einem Schuhgeschäft gesessen, und um halb Acht ging’s los. «Ich kann mich nicht lange vorher auf eine Vorstellung einstellen, sonst nimmt der Druck überhand.» Von solchen Druck-Erzeugungen gibt es mehr zu berichten. Bei der ...
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