Auf dem Sprung in die Euruine
Mit seinem Essayband «Das letzte Territorium», der 2003 auf Deutsch erschien, wurde Juri Andruchowytsch über Nacht bei uns bekannt. Es galt, ein neues Land – nicht nur auf der literarischen Landkarte – bei uns zu entdecken. Denn was wussten wir schon über die Ukraine, das zweitgrößte europäische Land, das 1991 in die Unabhängigkeit gelangte? Tschernobyl, Visa-Affäre, Schewtschenko, Eurovision Song Contest in Kiew – und, mal ehrlich, seit der Orangenen Revolution ist es auch nicht viel mehr geworden.
Andruchowytsch erzählt über die Bukowina, das Huzulenland, Transkarpatien und Transsylvanien, über die morbide Schönheit der habsburgischen Vergangenheit und postsowjetischen Realität. Über die Ruinen von Industrieanlagen, überquellende Müllhalden, die unaufhaltsame Verlumpung, die vom Alkohol windschiefen Nachtcafés und über Gespräche, die sich ums Abhauen und Tricks zur Visafälschung drehen. Tarantino, schreibt er, hätte hier seine besten Filme gedreht. Und Tarkowski hat das alles vorausgesehen.
Seit Jahren erlebt die Ukraine eine Massenemigration. Andruchowytsch unterteilt die Länder der Welt in «solche, aus denen man weggeht und in solche, in die man geht. Deutschland gehört ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Jahrbuch 2005
Rubrik: Neue Stücke der neuen Spielzeit, Seite 140
von Ingoh Brux
Das Kameraauge der Autorin fährt im Inneren einer Küche entlang und bleibt am auf dem Tisch liegenden Käsebrot hängen. Ein in Zellophan eingepacktes Käsebrot. Dessen Käse sich wellt und schwitzt. Dem die Butter aus den Löchern quillt. Dessen Farbe auch eine Haarfarbe sein könnte. So schreibt sie, so beobachtet sie, so sind ihre Welten. Im Detail entdeckt Anja...
Mein bester Thomas, ich sende dir Grüße. Hier gehen die Dinge ihren gewohnten Gang. Bombenterror herrscht, und das schon bald vier Jahre. Oder noch länger. Kommt darauf an, ab wann man zu zählen beginnt. Wahrscheinlich hat das gar nie aufgehört. Also auch nie angefangen. Keine Ahnung, was ich dagegen tun kann. Und deshalb bleibe ich zu Hause. Wir haben uns nett...
Als seinen Lieblingsautor nennt Simon Stephens Raymond Carver, und er zitiert ihn im Interview mit dem Satz: «Als Schriftsteller muss man die Fähigkeit haben, die Welt mit offenem Mund und kindlichem Staunen zu betrachten.» Sein Lieblingsdramatiker ist Anton Tschechow, «denn er war der Auffassung, dass die Menschenliebe kommuniziert werden kann. Dass die kleinen...