Auf dem Kompost der Zivilisation
Putz blättert in ahornblattgroßen Placken von den Wänden, darunter frisst fröhlich der Schimmel. Den Fußboden verwandeln Staub, Dreck und die verstreuten Bestände einer umfangreichen Bücherwand in unwegsames Gelände. Die Glasscheiben der französischen Fenster und der Galerie im ersten Stock sind herausgebrochen, Kabel baumeln lianengleich von der Decke, von draußen wuchern Efeu, Flechten, Moos in die ehemals gute Stube hinein.
Überhaupt scheint die Natur unaufhaltsam zurückzuerobern, was wohlhabende russische Bürger einst zum Schutz vor ihr errichtet haben: ein großzügiges Sommerhaus aus der vorletzten Jahrhundertwende, prachtvoll und lichtdurchflutet.
Erstaunlicherweise wird die düstere Ruine, die Kristine Jurjane mit Lust am naturalistischen Detail und zugleich pathetischer Wucht in die Berliner Schaubühne gebaut hat, mit der allergrößten Selbstverständlichkeit bewohnt. Auf der abgewetzten 50er-Jahre-Chaiselongue mitten im einstigen Salon räkelt sich eine Frau im Halbschlaf, träumt anscheinend Erfreuliches und stößt deshalb, die Hände zwischen den Beinen, Lustschreie der Verzückung aus. Parallel dazu macht sich ein Mann an den Überresten eines Stromkastens zu schaffen, nicht ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Februar 2013
Rubrik: Aufführungen, Seite 22
von Eva Behrendt
Die erste österreichische Arbeit der israelischen Regisseurin Yael Ronen beginnt im Stil einer Fußballübertragung. Aus dem Off stellt ein Kommentator die Schauspieler vor («Birgit Stöger, die gebürtige Grazerin, die Lokalmatadorin, sie ist nach einer langen erfolgreichen Laufbahn in Deutschland und der Schweiz auf internationalem Top-Niveau zum Zweitligisten aus...
Man meint, diese Neumanns schon mal gesehen zu haben. Es war in den 1970er Jahren, als die Familie Klimbim unterwegs war, die deutsche Urmutter aller seriellen Sitcoms. Am frischesten ist die Erinnerung an die Tochter der Chaosfamilie: Ingrid Steeger, die heute von Hartz IV leben soll und zu Protokoll gibt, die Männer hätten sie wie eine Weihnachtsgans...
Chapeau: Die provinzielle Elite sieht noch schlechter aus als erwartet. Vom Schulrat, der ausschließlich verhaltensauffällige Pädagogen beschäftigt, über den Kreisarzt, der der Landessprache nicht mächtig ist, bis zum Richter, der sich hier mit «Windspielen» bestechen lässt, warten die städtischen Regierungsorgane im mehltaufarbenen Einheitslook auf. Der grünliche...