Alter Worpsweder!

Vorabdruck: Ein Vorgeschmack auf Moritz Rinkes Debütroman: «Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel»

Theater heute - Logo

Ohlrogge stand in den Pedalen seines Holländer-Fahrrads und fuhr in die Hamme-Niederung, er war schon zu spät.Heute musste er eine sechsköpfige Gruppe aus Oldenburg betreuen, die sich für den Freilichtkurs angemeldet hatte und die ihn bereits links der Brücke auf dem Sandweg erwartete mit aufgestellten Staffeleien, Malplatten, Borstenpinseln und jeweils zwölf Farben auf der Palette. 
 

«Wir dachten schon, Sie kommen nicht mehr!», sagte eineKursteilnehmerin, die ihn mit einer Schürze um denBauch startbereit ansah.

Auch die anderen vier Damen hielten den Borstenpinsel bereits in der Hand. Die eine, die dickste, mit erröteten Wangen, hatte ihn schon in Van-Dyck-Braun getunkt, nur ein einzelner Herr schraubte an seiner Staffelei. 
 

Ohlrogge lehnte das Fahrrad an einen Zaun, nahm vorsichtshalber seine Luftpumpe aus der Halterung, um sie vorDiebstahl zu schützen, und stellte sich vor die Gruppe.Normalerweise begann er den Kurs »Auf den Spuren der alten Worpsweder» mit einer kleinen Einführung in dieLandschaftsmotive von Mackensen und Modersohn. Aberjetzt stand er stumm da und starrte in die Ferne.
 

Er sah sich als jungen Mann auf der Wiese stehen, auf der letzten Wiese vor dem Horizont. ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Februar 2010
Rubrik: Vorabdruck, Seite 63
von Moritz Rinke

Vergriffen
Weitere Beiträge
«Ziel eines Theaters kann es nicht sein, nicht zu spielen»

Andreas Wilink Der Kölner Stadtrat hat einerseits den enorm teuren Neubau des Schauspielhauses beschlossen und droht andererseits mit Kürzungen des Etats. Wie löst sich und wie lösen Sie diesen Widerspruch auf? 
Karin Beier Ich habe in den vergangenen Wochen öffentlich alles zur Zukunft des Kölner Schauspiels gesagt, was mir wesentlich erschien, und warte jetzt erst...

Horváths Flügelschlag

Wenn du eine Botschaft hast, dann schreib uns einen Werbeslogan – oder schick uns eine Rockband auf die Bühne. Johan Simons tut beides. Gleich zwei der topmodischen Theatermarotten der Saison präsentiert der manchmal ziemlich unsubtile Großregisseur, demnächst Chef der Münchner Kammerspiele, im Oktoberfeststück «Kasimir und Karoline» in Köln. Der vielgerühmte...

Am eigenen Leib

«Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht gesehen», was für ein harmloser Satz. Giulia, in bewährter Sprödigkeit von Corinna Harfouch verkörpert, entschuldigt sich auf diese Weise bei einer älteren Frau dafür, dass sie ihr nicht gleich den Platz freigeräumt hat. Doch als Antwort bekommt sie etwas zu hören, dass diesem Satz gewissermaßen die Unschuld raubt. «Ich weiß...