Von der Gegenwart des Werks
Opernwelt Die Erosion des sogenannten Bildungsbürgertums lässt sich leicht mit zwei Zahlen konkretisieren: Im Jahr 1958, ergab eine Studie, waren 58 Prozent der Opernbesucher in Deutschland unter fünfzig. Im Jahr 2005 waren es noch 26 Prozent. Was damit verschwindet, ist zweifellos auch ein Common Sense über das, was kulturell wichtig ist, was man kennen muss.
Was heißt es, unter diesen Bedingungen die alten Geschichten neu zu erzählen?
Andreas Homoki Die meisten Stücke, mit denen wir auf der Opernbühne zu tun haben, sind historischen Formen von Theater verpflichtet, die uns heute fremd sind. Darauf muss man reagieren, und deshalb erzählt man anders, als es in den Regieanweisungen steht. Mit jeder Generation wechselt die Ästhetik, und die Jüngeren sagen: «Das glaube ich nicht mehr.» So werden Stücke ständig in neue Formen übersetzt. Es geht darum, spannendes Theater zu generieren. Je weiter die Stücke von uns entfernt sind, desto unvermeidbarer wird dieser Prozess. Wenn ich mich einem Stück annähere, handelt es sich um eine rein persönliche Auseinandersetzung. Ich versuche, eine Aufführung zu erstellen, von der ich denke, dass sie mich fesseln würde. Natürlich hoffe ich dabei, ...
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Opernwelt Jahrbuch 2006
Rubrik: Diskussion, Seite 54
von Stephan Mösch, Albrecht Thiemann
Merkwürdig: Je ärger die Berliner Opernkrise sich in den letzten Jahren zuspitzte, desto makelloser glänzte die Staatskapelle Berlin. Fast als «pièce de résistence» und Insel der Herrlichkeit inmitten eines Molochs. Schon zum vierten Mal (nach 2000, 2004 und 2005) ist das Orchester zum besten Klangkörper eines Opernjahres gewählt worden. Ein Grund zu sagen: So...
Wer auf die dreizehn Jahre unter Leitung von Sir Peter Jonas zurückblickt, denkt zuerst an den Urknall, der am 21. März 1994 das Universum der Bayerischen Staatsoper erschütterte und heute als ein ästhetischer wie inhaltlicher Wendepunkt des Hauses erscheint. Die fast leere, bis zur Brandmauer aufgerissene Bühne beherrschte da in Georg Friedrich Händels «Giulio...
Kunst komme nicht von Können, sondern von Müssen, meinte Arnold Schönberg. Die diesjährigen Ergebnisse unserer Kritiker-Umfrage zeigen noch etwas anderes: Kunst kommt von Kontinuität. Zumindest in der Oper. Dort kann Kontinuität viele Bereiche betreffen. Der schwerfällige Apparat eines Opernhauses braucht Zeit, sich auf bestimmte Leitlinien einzustellen, seien sie...