Zurück zum aufrechten Gang
Als Wissenschaftler erforsche ich die Morphologie des Körpers. Die evolutionistische Morphologie vergleicht Skelette und zieht meist aus der Form des Oberschenkelknochens Rückschlüsse auf die Fähigkeit einstiger Lebewesen zum aufrechten Gang. Generell schließt man von der Form auf die Art der Fortbewegung und vergisst, dass auch das Verhalten die Fortbewegung wesentlich beeinflusst. Biometrie und Laservermessung, mit denen wir heute arbeiten, helfen wenig. Wie bewegte sich der Urzeitmensch wirklich? Seit zwanzig Jahren beobachten wir Schimpansen und Gorillas.
Die Oberschenkelknochen der Bonobos sind denen der Schimpansen absolut ähnlich. Aber die Bonobos gehen oft aufrecht, die Schimpansen nie. Warum? Genau hier liegt für mich die Schnittstelle zum Tanz.
Vor drei Jahren traf ich den Choreografen Michel Hallet-Eghayan. Ich sollte einen Vortrag über den Ursprung der Menschheit halten und Michel ein Solo zeigen, das vom Mythos des Gilgamesch inspiriert war, immerhin der älteste erhaltene Mythos der Menschheit. Da habe ich ihn darum gebeten, dass wir uns vorher austauschen, damit ich meinen Vortrag seiner Choreografie anpassen konnte. Wir verstanden uns sofort. Michel schuf extra eine ...
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Jean-Christophe Maillot träumt. Wird man ja noch dürfen. Der Choreograf und Direktor der Ballets de Monte-Carlo träumt, dass sich Kulturen kreativ begegnen, ohne ihre Eigenart einzubüßen. Träumt, dass am Ende einer künstlerischen Entwicklung solche Tänze dominieren, die sich nicht mehr nach ihrer Herkunft erklären, sondern sich einer strikten Klassifizierung...
Meg Stuart choreografiert Doktorspiele. Bei «Visitors Only» (2003) baute ihr Anna Viebrock eine zweistöckige Klinik für Demenz-Patienten. In «Alibi» (2001) entstand eine grausam zitternde Ich-Verleugnung mit einer Kompanie, die seither bei jeder Schlussparty eines Stücks ins berühmte Meg-Stuart-Shaken verfällt. Um das Gruseln abzuschütteln, das in sie fuhr. Den...
Keine Kunst ist so sehr in der Natur wie die Tanzkunst. Sie ist randvoll mit Physik, Biologie, Chemie, Medizin, Neurologie und Anthropologie. Nur ein einziger Sprung auf die Bretter bedeutet schon eine so komplexe Welt aus Gravitation, Selbstorganisation, Chaos-Theorie, Mnemo-Physiologie, Adrenalineskalation und Biomechatronik, dass man fast schon sagen darf, hier...