Wider das Vergessen

Ihr Buch über den Ausdruckstanz im Dritten Reich wurde auf Anhieb ein Standardwerk. Jetzt hat sich Laure Guilbert mit Tanzkünstlern befasst, die Nazi-Deutschland verließen.

Wie kommt eine französische Tanzwissenschaftlerin dazu, sich ausgerechnet mit einem typisch deutschen Thema zu befassen? Durch Zufall. Über Umwege. Ich komme aus Lille, habe dort Geschichte und Literatur studiert und wollte in Paris am Sciences Po eigentlich meinen Master machen. Natürlich setzte ich auch meine Tanzausbildung fort, und das bei Karin Waehner, einer Wigman-Schülerin der Nachkriegszeit, die in der französischen Hauptstadt an der Schola Cantorum unterrichtete.

Als uns die Professoren am Institut für politische Studien empfahlen, über unerforschte Archive zu arbeiten, unterhielt ich mich darüber mit Karin, mit der mich inzwischen eine Freundschaft verband. Sie riet mir, mich mit dem Nachlass von Mary Wigman zu beschäftigen, der damals gerade der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Und das fand ich ganz folgerichtig, nachdem ich den Ausdruckstanz sozusagen am eigenen Körper erfahren hatte. Mit Feuereifer stürzte ich mich in die Arbeit.

Offenbar mit Erfolg. Ihre Doktorarbeit entstand in diesem Zusammenhang.
Ja. Der Wigman-Nachlass in der Berliner Akademie der Künste war auf einer künstlerischen und pädagogischen Ebene absolut interessant. Aber in ihm fanden sich kaum ...

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Tanz März 2017
Rubrik: Traditionen, Seite 54
von Hartmut Regitz

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