tanzende scham

Nacktheit nicht als Provokation, sondern als Feier von Schönheit. Wie der Tanz (manchmal) die Gegenkultur zur pornografischen Welt entwirft.

Tanz - Logo

Schlosstheater Fulda, Geflüster in den Reihen. «Is die nackisch?», fragt die alte Dame ihre Nachbarin, während auf der Bühne zwei Männer und eine Frau eine akrobatische Zärtlichkeit tanzen, wie man sie hier noch nicht gesehen hat: «Ménage à trois» von Elisa Monte. Wenn die Dame nur wüsste oder ahnte, was sonst auf den Bühnen der Welt getanzt wird. Man würde sich ob des bisschen Nacktheit nicht wundern. Der nackte Körper ist im zeitgenössischen Tanz nichts Besonderes mehr.

Aber warum ist nackt normal? Dies als Philosoph zu fragen, nicht mit dem Blick des Kritikers oder Connaisseurs, sondern: Wes Geistes Kind ist der Tanz der Nackten? Auch wenn ich den Zweifel ob der Kompetenz meiner Profession nicht loswerde. «Die Nacktheit der Frau ist weiser als die Lehre des Philosophen», das stammt von Max Ernst.

Nacktheit spricht für sich – auch wenn sie je nach Situation und Kontext Unterschiedliches zu sagen hat. In Elisa Montes «Ménage à trois» scheint sie zu schweigen. Wobei dieses Schweigen ein beredtes Schweigen ist: Die Nacktheit nimmt sich zurück, um sich in den Dienst der Körperlichkeit zu stellen. Nicht eine entblößte Brust sieht der Zuschauer, sondern einen grazilen, geschmeidigen, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz August 2010
Rubrik: sexualität, Seite 30
von Christoph Quarch

Vergriffen
Weitere Beiträge
groningen: laor, sheinfeld, levi «big mouth»

Im Gleichschritt, rechts, links, rechts, links, ziehen sie zu dritt im Viereck über die Bühne. Ruhig, nicht zu langsam, keineswegs aggressiv, trotzdem entschlossen. Vielleicht das souveräne Militär von morgen. Dann erste Veränderungen in der kleinen Einheitsforma­tion aus zwei Männern in Schwarz und einer Frau in Blau-Weiß: Richtungswechsel, Rückwärts- und...

mannheim: absolute liebe

Das ganze Stück hindurch blicken sie sich an, dieser permanente Blick ist ein Drama. Man nennt es eine Romanze, die das Schweizer Paar Laurence Yadi und Nicolas ­Cantillon von der Compagnie 7273 mit seismografisch ­ge­­nauen Bewegungen untermalt. Sie schließen sich mit ihrem Duett «Romance-s» den grandiosen Liebesgeschichten an, die auch Angela Schubot und Jared...

bonn: Rafaële Giovanola «The Parallax View»

Wer an den Zufall glaubt, lebt langweilig. Wie viel fantasievoller ist es, überall Zusammenhänge zu konstruieren, logische Verknüpfungen und Kausalitäten! Lieber Kalkül statt Schicksal. Zu den kreativsten Konstruktivisten zählen die Verschwörungstheoretiker. Was andere unhinterfragt hinnehmen, wird ihnen zum geheimnisvollen Komplott. Strichcodes in den...