Annabelle Lopez Ochoa

Wir haben Tanzkünstler und -künstlerinnen gefragt: «Was war produktiv? Was nehmen Sie mit? Was erwarten Sie für die nähere Zukunft?»

Als die Pandemie im März 2020 die USA heimsuchte, standen wir eine Woche vor der Premiere von «Vendetta», einem abendfüllenden Erzählballett für 35 Tänzer*innen des Tulsa Ballet. Ich weiß noch, wie Präsident Trump im Laufe des Wochenendes schrittweise verfügte, dass sich in Gebäuden nicht mehr als 250, dann nicht mehr als 100 und schließlich nicht mehr als zehn Personen versammeln durften – ein Countdown, der in eine ungewisse neue Realität hineinführte.

Als die Zahl von zehn Personen am Montagnachmittag offiziell verkündet wurde, hatten wir gerade einen Durchlauf des ersten Akts des Balletts beendet. Die Anspannung im Studio war mit Händen zu greifen. Während der Pause verfolgten die Tänzer*innen die Nachrichtenlage an ihren Mobiltelefonen. Ich erinnere mich, wie sie den zweiten Akt hinlegten, als gebe es kein Morgen. Ich zitterte und unterdrückte meine Tränen; vor allem aber erfüllte mich mit Ehrfurcht, dass die Tänzer*innen die unglaubliche Fähigkeit besaßen, sich auf den Augenblick zu konzentrieren und sich ihm ganz hinzugeben. Wie sich herausstellen sollte, gab es dann auch kein Morgen: Am darauffolgenden Vormittag war ich bereits auf dem Heimflug zurück nach Amsterdam. Zu ...

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Tanz Jahrbuch 2021
Rubrik: Pandemie, Seite 110
von

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