Wir sind alle Überlebende

Irischer Zungenschlag bei John Scott. Thomas Hahn sah einen Tanz der Gefolterten, der ihm den Atem nahm.

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Irland ist keine Insel (der Seligen) mehr, kein weißer Fleck auf der ökonomischen Landkarte. Irlands Tanzlandschaft hat ihren Farbtupfer in John Scott, dem Bilderstürmer an der Spitze des Irish Modern Dance Theater, das eine Art nationale Institution wurde. Und was macht Scott? Er hebt im Heiligtum jegliche Art von Hierarchie auf.
In «Close Ups» ließ er Überlebende von Folterungen neben ehemaligen Mitgliedern der Cunningham-Kompanie auftreten. Nicht auf einer Bühne, sondern in den offenen Räumen und Treppenhäusern eines Dubliner Künstlerhauses.

Eine lebendige, fließende Performance ohne Grenzen. Das Stück war das Ergebnis von Tanzworkshops mit Flüchtlingen aus diversen Ländern Europas und Afrikas am Dubliner Center for Care for Survivors of Torture. Gerade deren psychische und körperliche Schäden brachten Scott dazu, ihnen völlige Freiheit in der Wahl ihrer Gesten zu lassen.
Ramsay Burton vom Department of Performing Arts der Universität Leicester vergleicht «Close Ups» mit «Incarnat» von Lia Rodriguez in Sachen Dekonstruktion gesellschaftlich etablierter Machtstrukturen, die ihren Opfern die Wahrnehmung als gleichwertige Wesen verwehren. Der Weg dazu führt über «die Weigerung, ...

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Tanz Mai 2007
Rubrik: Sucht das Talent, Seite 16
von Thomas Hahn

Vergriffen
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