Urs Dietrichs «Infini»
Tödlich erschrocken stürzt die Frau durch den Zuschauerraum auf die Bühne, trommelt in wilder Angst gegen den eisernen Vorhang. Der öffnet sich. Dunkel verschlingt sie. Auch Kunst vermag nicht Trost oder Zuflucht zu spenden. Sie ist rachenartig, ein schwarzes Loch. Speit Menschen aus und saugt sie wieder auf. Mit «Infini» nimmt Urs Dietrich seinen Abschied als künstlerischer Direktor des Bremer Tanztheaters. Ein Ende, und kein Ende. Er bleibt als Choreograf in Residenz dem neu formierten Ensemble (vier Tänzer gehen) verbunden.
Es kooperiert künftig unter dem Dach der Tanzcom-pagnie Nordwest mit dem Tanzensemble am Staatstheater Oldenburg, geleitet von Kulturmanager Honne Dohrmann und Dramaturgin Patricia Stöckemann. Der scheidende Intendant Klaus Pierwoß fürchtet um das künstlerische Eigenprofil und bezeichnete die Dietrich-Uraufführung als «nicht ganz zufälliges letztes künstlerisches Lebenszeichen eines Bremer Tanztheaters, das es so nicht mehr geben wird.»
«Infini» – eine albtraumhaft lastende Ansicht des unendlichen Leidens in der Welt zu Gioacchino Rossinis selten musizierter und noch nie im Theater inszenierter «Petite Messe Solennelle» – repräsentiert ein Konzentrat von ...
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Knarzende Türen, leiernde Tonbandaufnahmen, der umgekippte Kopf einer Götterstatue und düstere Schattenspiele: Beginnt so ein klassisches Ballett, noch eins nach Marius Petipas berühmter «Bayadère»? Es liegt nah in diesem wehen Anfang von Terence Kohlers «Die Tempeltänzerin», den Verweis auf eine rostige Vergangenheit zu sehen. Zudem Cineastisches in der Luft...
Die spartenübergreifende Arbeit am Theater ist mal wieder in aller Munde:
1. Weil erfolgreiche Kollegen nach langen Jahren ihre Verträge aufkündigen, da ein neuer Intendant Einsätze des Ballettensembles in Musical und Operette verlangt, oder 2. Weil immer noch manche Intendanten argumentieren, der Tanz würde die Operette zu seiner Rechtfertigung brauchen.
Letzteres...
Im Gartencafé. Mir gegenüber am Tisch sehe ich Rippen, tote Knochen. Der arme Gartenstuhl mit ausgebleichten Holzlatten, ein Gerüst, das weiter unten praktisch und fast anmutig seine Beine kreuzt. Der Platz gegenüber ist leer. «Der Tod ist mitten unter uns», fällt mir unwillkürlich ein, ein Satz, unscharf wie der ganze Begriff vom «Totentanz». Mit den Jahrhunderten...