Dead can dance

Im Mittelalter gab es die berüchtigten Totentänze, Zeugnisse für den unabwendbaren Tod. Diese Tänze flammen fast überall auf der Welt wieder auf, wenn der Tod den Menschen zu dicht auf die Haut rückt. Die Europäische Totentanz-Vereinigung kümmert sich um Geschichte und Gegenwart eines Tanzes, der im Wohlstand wirkt wie eine Schrulle der Kultur. Melanie Suchy hat sich am Sitz der Vereinigung in Düsseldorf umgetan

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Im Gartencafé. Mir gegenüber am Tisch sehe ich Rippen, tote Knochen. Der arme Gartenstuhl mit ausgebleichten Holzlatten, ein Gerüst, das weiter unten praktisch und fast anmutig seine Beine kreuzt. Der Platz gegenüber ist leer. «Der Tod ist mitten unter uns», fällt mir unwillkürlich ein, ein Satz, unscharf wie der ganze Begriff vom «Totentanz». Mit den Jahrhunderten verkam er zur Allerweltsmetapher.

Wenn man ihn aber nur scharf genug wieder anschaut und seine Geschichte entblättert, seine Bilder, Lieder, Legenden, packt einen der Totentanz, auch weil er immer ein paar Geheimnisse bei sich behält.

Statt im Café sollte man den Totentanz wohl besser auf dem Friedhof suchen. Was da in Reih und Stein steht, ist Teil der «Bestattungs- und Friedhofskultur» und wird, wie es sich für Kultur gehört, von einem Verband bewacht: der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal, kurz AFD, gegründet 1951. Er möchte die «Innovationen und Liberalisierungen der Bestattung zwar befürworten», aber auch daran erinnern, dass in unserer Kultur «die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen nicht beliebig, sondern immer in familiale, soziale und gesellschaftliche Beziehungen eingebunden war und ist». Will heißen, ...

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Tanz Juli 2007
Rubrik: Körper, Seite 56
von Melanie Suchy

Vergriffen
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