Umarmung
Irgendwie gehört der Mann hierher, nach Paris. In Israel geboren, lebt er zwar seit Langem in Großbritannien. Trotzdem kehrt er regelmäßig zurück in die französische Kapitale, um mitten in ihrer bauhistorisch beschwingten Kulisse Stücke zur Uraufführung zu bringen, die der Gegenwart empfindlich auf den Zahn fühlen. Derart mitleidlos, dass es beim Zusehen schmerzt. Einziges Antidot ist die morbide Schönheit seiner Erfindungen – eine Art Narkotikum, das einen unwillkürlich schachmatt setzt.
So geschehen 2017 bei «Grand Finale», so geschehen Ende Juni 2024 im «Theatre of Dreams». Der Choreograf Hofesh Shechter weiß, dass sich Kampf, Kunst und Körper wie eine unauflösliche Trias zueinander verhalten: Sie gehören zusammen, seit der Mensch in vorgeschichtlichen Höhlen zu tanzen begann. Also wirkt jede Shechter-Inszenierung wie ein Reenactment der Schöpfung – und die Prophetie ihrer Auslöschung.
Trost für krisengebeutelte Seelen
Einmal mehr ist das Pariser Théâtre de la Ville als Schauplatz der Kreation auserkoren. Man hat sich entsprechend präpariert. Das (dank britischer Minimalsubventionen) gut ausgebaute Marketing- und Fundraising-Department von «hofeshco» (Künstler und Company) ...
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Tanz Oktober 2024
Rubrik: Produktionen, Seite 8
von Dorion Weickmann
Wenn eine Arbeit von Crystal Pite Bestandteil eines gemischten Programms ist, kann es durchaus sein, dass sie alle übrigen Stücke in den Schatten stellt. Fraglos ist «Angels’ Atlas» – inzwischen auch beim Staatsballett Berlin zu sehen und im Oktober am Londoner Sadler’s Wells Teil der Triple Bill des gastierenden National Ballet of Canada (NBC) – eine jener...
Es gibt Vergnügen, die einfach nur schön sind. Marke «Augenweide». Dazu gehört für mich ohne Zweifel die Kickline des Friedrichstadt-Palast Berlin, die längste der Welt. Wenn die 32 Tänzer*innen, 30 Frauen und 2 Männer, aufgestellt in einer langen Reihe, vollkommen synchron ein Bein in die Höhe schnellen lassen, um es genauso schnell wieder auf die Erde zu setzen –...
«Only a broken voice can fix a broken world», schreibt Sorour Darabi in seinem Gedicht «Night». In «seinem» Gedicht? Gendertechnisch ist das Maskulinum hier im Grunde nicht darstellbar. Das Femininum aber erst recht nicht. Was bleibt da übrig? Selbst ein Mischpronomen wie «sier» greift zu kurz, denn da sind ja immer noch starre Begriffe von weiblich und männlich im...