Präsenz
Die Forderung, dass sich Theater dem digitalen Wandel in der Gesellschaft stellen muss – und zwar sowohl inhaltlich mit den Mitteln der Kunst als auch in der Anpassung der eigenen Produktionsprozesse – ist nicht neu. Die eigene Sichtbarkeit im Digitalen und damit einhergehende neue Praktiken der Inszenierung und Rezeption für digitale Bühnen – das hat vor 2020 allerdings eine eher punktuelle Rolle im Aufführungsgeschehen deutschsprachiger Theater gespielt.
Erst die Lockdowns haben mit Wucht vorgeführt, was passiert, wenn man Theatern die physischen Bühnenräume nimmt – eine ganze Kunstform ist über Nacht verstummt. Dass dann furchtlos und mit Mut zum Ausprobieren und Scheitern und Weiterprobieren und Lernen der digitale Raum ebenfalls quasi über Nacht entdeckt und bespielt wurde, zeugt von der Resilienz unserer Kunst.
Wir haben endlich mit der leidigen Kontra-Debatte aufgeräumt und uns selber bewiesen, dass es keinen Gegensatz und Widerspruch zwischen dem Analogen und dem Digitalen geben muss – nur unterschiedliche Arten, mit verschiedenen Bühnen umzugehen. Natürlich ist ein Stream etwas anderes als ein Schauspiel auf der Guckkastenbühne –, aber eine große Oper mit Orchester, Chor ...
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Tanz Jahrbuch 2021
Rubrik: Unterwegs, Seite 104
von Tina Lorenz
Ich finde es erstaunlich, wie viel Kreativität die Pandemie mit ihren Lockdowns, Einschränkungen und Auflagen aus allen Menschen herausgelockt hat. So viele neue Blickwinkel, Methoden und Herangehensweisen, neue Zusammenschlüsse, Gruppierungen und Freundschaften. Abgesehen von der Spur der Zerstörung, die die Pandemie auch hinterlassen hat, ist sehr viel Neues,...
Ganz klar: Die zurückliegenden eineinhalb Jahre waren eine enorme Herausforderung für die gesamte Kunstwelt. So vieles, was wir bis dahin als selbstverständlich erachtet hatten, war uns plötzlich nicht mehr zugänglich. Ich persönlich war überwältigt von Gefühlen der Hilflosigkeit. Zugleich eröffneten sich in jenen Monaten aber auch viele Möglichkeiten, die es zu...
«Wenn ich einen Tanz oder irgendeine Art von Werk plane, kann ich das nicht umsetzen, bevor ich den Raum verstanden habe», sagt Maria Hassabi, die in Athen ebenso zu Hause ist wie in New York. Die 48-jährige, auf Zypern geborene Choreografin und Künstlerin ist eine Spezialistin für die Raumzeit-Verhältnisse der menschlichen Wahrnehmung. Unsere Sinne brauchen Zeit:...