«Orlando» in Moskau
Das Thema «Geschlechtsumwandlung» ist nicht eben ein Lieblingssujet am Bolschoi-Theater. Wie Christian Spuck berichtet, hat ihm der Moskauer Ballettchef Makhar Vaziev seinen «Orlando» daher höchstpersönlich abgenommen und vorbauend hinzugefügt: «Ich kenne Sie ja auch als poetischen Tanzmacher, nicht als einen Skandalchoreografen.» Ob Spuck ein poetischer oder nicht vielmehr ein philosophischer Choreograf ist, sei einmal dahingestellt; der Bolschoi-typische puristische Wind dürfte ihn bei der Adaption von Virginia Woolfs Roman in jedem Fall angeweht haben.
Im ersten Akt besticht der – noch männliche – Orlando (in der besuchten Vorstellung: Olga Smirnova) mit gestochen scharfen Bewegungen, dynamischen Tours und Grand jetés – und tanzt: auf flachen Füßen. Dabei fällt auf, dass die Körpersprache umso forcierter wirkt, je deutlicher die Gedanken und Gefühle der Figur ausformuliert werden. Ausgesprochen maskulin kommuniziert Orlando allerdings von Anfang an nicht: Angesichts der Kälte, die (die bei Spuck männlich besetzte) Elizabeth I ausstrahlt, verhält er sich wie ein nachdenkliches Kind; Shelmerdines Witzeleien nimmt er weitestgehend ohne jede geschlechtsspezifische Regung hin. Dann ...
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Tanz Juni 2021
Rubrik: Queerness, Seite 17
von Leila Guchmazova
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