München: Richard Siegal «Roughhouse»

Mit seiner ersten Operninszenierung  – «Mass» von Leonard Bernstein in Gelsenkirchen – hat der Choreograf Richard Siegal im Herbst 2018 eine ziemliche Bauchlandung hingelegt. Umso erfreulicher ist seine Punktlandung mit dem Tanzsprech-Hybrid «Roughhouse», das jetzt beim Festival «Dance» in München gastiert.

Siegal hat dafür nicht nur Text, Regie und Choreografie gestemmt, sondern sein Ballet of Difference (BoD) mit dem Kölner Schauspiel zusammengespannt: Vier BoD-Tänzer und fünf Schauspieler turnen so elegant wie eloquent durch ein achtzigminütiges Dada-Spektakel, dessen Nonsens-Maschinerie in regelmäßigen Abständen von fanatischen Gewaltexzessen ausgebremst wird. 

Die mediale Entgrenzung der Gegenwart ist das Leitmotiv des Abends, der von Talkshow bis Terrorattacke alles abgrast, was über Netz- und TV-Kanäle flimmert. Die Details des Geschehens fängt eine Kamera ein, die mal auf den Hintern eines Darstellers zoomt, um im nächsten Moment den Überfall eines Guerilla-Kommandos in Breaking-News-Manier zu dokumentieren. Jeder Sprechakt triggert restkommunikative Wiederholungsschleifen und Monologe in Serie – von neun Mündern wie aus Gewehrmündungen abgefeuert. 

«Roughhouse» ist, was ...

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Tanz Mai 2019
Rubrik: Kritik, Seite 40
von Dorion Weickmann

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