Im Krieg

Vor genau einem Jahr hat Russland die Ukraine überfallen. Der Choreograf Alexei Ratmansky zählte schon damals zu den schärfsten Kritikern des Putin-Kurses. Wie er die Lage heute sieht, schildert er Dorion Weickmann

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Alexei Ratmansky, Ihre Familie ist ukrainisch verwurzelt, Sie selbst haben unmittelbar nach Putins Überfall Moskau verlassen, mitten in den Vorbereitungen zu einer neuen Produktion am Bolschoi. Seitdem positionieren Sie sich mit nicht nachlassender Energie gegen den Krieg. Zugleich haben Sie in München kurz vor Weihnachten eine Kreation zu Ouvertüren von Pjotr Tschaikowsky herausgebracht – was hat Sie in diesem historischen Moment dazu bewogen? 
Das Projekt wurde lange vor dem Krieg geplant.

Aber es war für mich durchaus eine schwierige Entscheidung, daran festzuhalten. Meine Frau ist in der Ukraine geboren, unsere Familien leben dort – und ich habe die russische Aggression von Anfang an scharf verurteilt. Insofern habe ich natürlich darüber nachgedacht, ob es der richtige Zeitpunkt ist, um ein Ballett zu Tschaikowsky zu machen. Auf der anderen Seite muss man sich fragen: Ist die Alternative, alles Russische zu boykottieren – die Kunst, die Musik, also auch Tschaikowsky, dessen Partituren wie kaum etwas anderes zum klassischen Ballett gehören? Natürlich fürchte ich, dass es im Publikum Menschen gibt, die mit der Ukraine verbunden sind, denen es von daher schwerfällt, diese Musik zu ...

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Tanz Februar 2023
Rubrik: Ukraine, Seite 56
von Dorion Weickmann

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