Diana Vishneva

Eine Variation in Raum und Zeit

Die Zeit der Selbstisolation ist so gut wie vorbei, und wir können zurückblicken und analysieren, was uns da eigentlich widerfahren ist. In einem Wimpernschlag wurden die Pläne unserer auf Tage und Jahre hinaus durchgetakteten, hochtechnologisierten modernen Welt durchkreuzt. Prozesse wurden gestoppt. Wir fanden uns allein, zurückgeworfen auf unsere Gedanken, in einer neuen Wirklichkeit wieder. Ironischerweise rückte uns die Pandemie, auch wenn sie Kontaktsperren nach sich zog, zusammen – im Kampf gegen das Virus.

Wir spürten, wie fragil wir sind und wie wertvoll jedes einzelne Leben ist. Manche fühlten sich ohne ihre Alltagsroutine verloren. Kultur wurde zur Kraft, die Menschen vereinte und das Durchhalten während der Quarantäne erleichterte. Die Kultur – in all ihren Formen – stellte ihre humanitäre, soziale und inspirierende Stärke unter Beweis.

Im Ballett begannen wir unsere Gefühle, Gedanken und Sorgen 24/7 untereinander auszutauschen – mittels Live-Streams und sozialen Medien. Die neue Realität ließ das Bedürfnis aufkommen, einander zu unterstützen und uns aufs Sprechen zu verlegen, wo wir, als Tänzerinnen und Tänzer, doch üblicherweise schweigen. So begann ich über meinen ...

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Tanz Jahrbuch 2020
Rubrik: Jahrbuch 2020, Seite 88
von Diana Vishneva

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