Und das Lied verstummt nicht
Die Musik Lateinamerikas ist seit der Ankunft der europäischen Eroberer ein Schmelztiegel unterschiedlichster Einflüsse. Der postkoloniale Diskurs versteht Kulturtransfer dabei überwiegend als «kulturelle Aneignung». Diese Kritik an als dominant bezeichneten Kulturen, die sich kulturelle Errungenschaften von Minderheiten aneignen, verweist auf den unbestreitbaren Gewaltzusammenhang von Eroberungen. Dass die Geschichte ungleich komplexer ist, lehrt Lothar Krafts Buch «Lasst nicht zu, dass unser Lied verstummt», das voll ist mit verblüffenden Zusammenhängen.
Kraft spürt den Verbindungen von europäischer Musik mit den vorgefundenen Traditionen in Lateinamerika nach und zählt zahllose Beispiele hybrider Musikkultur auf, die sogenannte «musica mestiza», verkörpert etwa durch den 1945 geborenen Kolumbianer Francisco Zumaque. Sein Werk reicht vom klassisch inspirierten Streichquartett bis hin zu «Colombia Caribe», der Nationalhymne für die kolumbianische Fußballnationalmannschaft.
Das umfassendste Kapitel («Musik und Gesellschaft in Brasilien») schildert, wie im Jahr 1500 die Portugiesen das Land betraten und in Porto Seguro gleich eine erste Messe feierten. Anwesend waren 1200 Europäer ...
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Opernwelt Mai 2024
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 34
von Regine Müller
Auf dem Parnass muss es wohl wunderbar sein. Dort, wo nicht nur Apoll mit seinen neun Musen lustwandelt, sondern vermutlich auch jene gerechten Götter wohnen, die Cleopatra in ihrem aus Seide gewebten fis-Moll-Largo «Se pietà» um Beistand anfleht, wähnen die Irdischen ein Idyll, welches sie auf Erden vergeblich suchen, und seien sie noch so begabt in den...
Lully und sein Librettist Philippe Quinault haben die Tragédie en musique 1673 erfunden, um der klas -sischen Tragödie ihrer Zeitgenossen Corneille und Racine ein gesungenes Drama zur Seite zu stellen. 14 Werke dieser Gattung entstanden bis zu Lullys frühem Tod 1687. Keine war radikaler als «Atys», die den Titel «Königsoper» trägt, weil sie die besondere...
Der Schwanenmord steht noch aus, erst recht der Gang durch Raum und Zeit zur Gralsburg oder Kundrys alles wendender Kuss. Es ist Gurnemanz, der für einen frühen Höhepunkt sorgt. «Ihm neigten sich in heilig ernster Nacht …», singt Georg Zeppenfeld, und man muss innerlich niederknien vor ihm. Dass dieser Bassist für seine Wortverständlichkeit gerühmt wird, passiert...